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Hille/Bielefeld

Hiller Dreifachmord: Jörg W. fälschte seine Lebensläufe

Bundeswehr, Fremdenlegion, Arbeitgeber: Die Biografie von Jörg W. beschäftigt das Gericht am 15. Prozesstag. Dabei kommt heraus, dass der 52-Jährige in Bewerbungsschreiben geschwindelt hat.

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Der Angeklagte im Hiller Mordprozess steht im Sitzungssaal des Landgerichts Bielefeld. | © picture alliance

Der Angeklagte im Hiller Mordprozess steht im Sitzungssaal des Landgerichts Bielefeld. | © picture alliance

18.01.2019 | 18.01.2019, 17:35

Hille/Bielefeld. Von seiner Zeit in der Fremdenlegion hat der mutmaßliche Dreifachmörder Jörg W. immer gerne erzählt, wie Freunde und Nachbarn bestätigen. Er sei in der Einheit der Fallschirmspringer gewesen, habe Einrichtungen feindlicher Truppen zerstört und im Irak-Krieg gekämpft. Dass nichts davon stimmt, steht spätestens seit Freitag fest. Lediglich zwei Monate und 28 Tage hat der heute 52-Jährige in der Fremdenlegion gedient, bevor er aufgrund einer medizinischen Untauglichkeit ehrenhaft entlassen wurde.

Vor dem Landgericht Bielefeld war die Biografie von Jörg W. Thema am 15. Prozesstag um die Dreifachmorde in Hille.
Der Vorsitzende Richter Georg Zimmermann verlas die beglaubigte Übersetzung eines Schreibens vom Mai vergangenen Jahres. Ein Major der Fremdenlegion hatte eine Anfrage umfassend beantwortet. Er schreibt, dass der Hiller mit einer falschen Identität in der Fremdenlegion war. Er war dort unter dem Namen Johann Wagner bekannt. Auch sein Geburtsdatum und sein Geburtsort waren verändert worden. Statt in Duisburg war Jörg W. den Angaben zufolge in Kassel geboren.

Am 7. Mai 1990 hatte sich der Angeklagte für fünf Jahre in der Militär-Organisation verpflichtet. Eine nicht näher beschriebene Krankheit machte Jörg W. allerdings für den Dienst untauglich. Dem Schreiben des Majors zufolge hatte W. zunächst bis zum 24. Mai an einer Eingliederung teilgenommen, am 25. Mai startete der erste Teil der militärischen Ausbildung. Am 4. August wurde er schließlich entlassen. Der Major bezeichnet Jörg W. nicht etwa als Soldat, sondern als „Interessierten" – das lässt offenbar darauf schließen, dass dem Beschuldigten keinerlei militärische Qualifikation zugeschrieben wurde. Ausdrücklich betont der Verfasser, dass W. in keiner Einsatzeinheit gedient und auch nicht an Auslandseinsätzen teilgenommen hat.

Jörg W. wechselte monatlich den Arbeitgeber

Auch W.s Zeit bei der Bundeswehr war am Freitag Thema vor Gericht. Demnach absolvierte der Hauptschul-Absolvent seinen Wehrdienst in der Zeit vom 1. Oktober 1987 bis zum 24. April 1989 beim Flugkörpergeschwader (FKG) 2 in Geilenkirchen im Kreis Heinsberg. Nach dem Grundwehrdienst galt Jörg W. zunächst als Soldat auf Zeit, wurde dann jedoch im April 1988 auf den Grundwehrdienst zurückgestuft. Der Anlass war, dass W. durch wiederholte unerlaubte Abwesenheit vom Dienst aufgefallen war.

Das Gericht hatte sich außerdem personenbezogene Daten des Angeklagten hinsichtlich seiner früheren Arbeitgeber besorgt und eine Auflistung bei der Deutschen Rentenversicherung angefordert. Auffällig dabei ist, dass Jörg W. in den meisten Fällen nie länger als ein paar Monate bei einem Arbeitgeber beschäftigt war. Dr. Georg Zimmermann verlas eine Liste mit rund 30 verschiedenen Unternehmen, bei denen W. in der Zeit von 1982 bis 2017 untergekommen war.

Die meisten Anstellungen hatte der Duisburger in seiner Heimatstadt. Nach seiner Ausbildung zum Dreher bei Thyssen Krupp folgten Beschäftigungen unter anderem bei Personaldienstleistern, beim Freihafen Duisburg, bei einem Unternehmen für Stahlbetonbohrung, einer Spedition oder einem Fahrradhändler.

2012 zog Jörg W. nach Hille im Kreis Minden-Lübbecke

Im Jahr 2012 zog W. nach Hille und arbeitete dort zunächst für eine Firma, die im Baugewerbe tätig ist. Es folgten bis 2017 weitere Anstellungen in Stemwede, als Fahrer für eine Bäckerei mit Sitz in Minden, bei einem Personaldienst, einem technischen Servicebetrieb in Minden, einer Zaunfirma in Lübbecke sowie einer Firma für Land- und Gartentechnik in Hille.

In seinen selbst verfassten Lebensläufen für Bewerbungen, die die Mordkommission „Wilhelm" bei Arbeitgebern, beziehungsweise auf dem Computer von Jörg W. sichergestellt hatte, wich der Angeklagte von den Tatsachen ab. In diesen Schreiben gab der 52-Jährige beispielsweise an, von 1988 bis 1993 bei der Fremdenlegion gewesen zu sein. Außerdem erfand er mehrjährige Tätigkeiten als Bauleiter, als Qualitätsprüfer und als Maurer bei einem Hiller Unternehmen. Wie die Firma auf Anfrage bestätigte, sei Jörg W. bei ihnen nicht als Maurer, sondern lediglich als Bauhelfer angestellt gewesen.

Ob diese Schwindeleien auch Rückschlüsse auf die bisherigen Aussagen des Angeklagten zulassen, wurde Freitag im Gericht nicht weiter thematisiert. Allerdings passen die Ungereimtheiten in das Bild, dass sich die Prozessbeobachter bislang von Jörg W. machen konnten. Nach seiner Festnahme hatte er zunächst gestanden, den zweifachen Familienvater Fadi S. mit einem Hammer erschlagen zu haben. In Untersuchungshaft sagte der Angeklagte später im Gespräch mit der Psychologin Sabine Nowara, dass er genau wisse, dass er niemanden umgebracht habe. Vielmehr beschuldigte W. seinen Ziehsohn Kevin R., die Morde an Gerd F., Jochen K. und Fadi S. begangen zu haben. Der 24-Jährige habe die drei Männer aus Mordlust getötet. Er selber habe lediglich beim Vergraben der Leichen geholfen.

Der Prozess wird am 4. Februar fortgesetzt und ist bereits jetzt bis Mitte April terminiert.