Gerry Weber: Gewerkschaftsmitglieder stimmen für Zugeständnisse

Halle. Die Einigung auf ein Sanierungskonzept für den angeschlagenen Haller Modekonzern Gerry Weber ist zwei Schritte näher gerückt. Nachdem am Freitag bereits die Tarifkommission der IG Metall einstimmig für das wenige Tage zuvor in nächtlicher Sitzung verhandelte Eckpunktepapier votiert hatte, stimmte am Samstag im Hotel Graf Bernhard in Steinhagen nun auch die Mitgliederversammlung für die Lösung. "Nahezu einstimmig" sei die Entscheidung der etwa 125 anwesenden IG-Metall-Mitglieder aus der Gerry-Weber-Belegschaft gewesen, berichtete Gewerkschaftssekretär Marc Schneider dem Haller Kreisblatt. "Wir haben das Verhandlungsergebnis vorgestellt und dann intensiv darüber beraten", sagte Schneider, der mit IG-Metall-Verhandlungsführer Manfred Menningen sowie Ute Herkströter (erste Bevollmächtigte IG Metall Bielefeld) und Oguz Önal (2. Bevollmächtigter) eingeladen hatte. Die Einigung auf tariflicher Ebene, die sie präsentierten, umfasst fünf Säulen. Und es gibt eine Lösung für das zuletzt schwer umstrittene Weihnachtsgeld von 2018. Weihnachtsgeld Die vom Unternehmen einbehaltenen Zahlungen von 2018 werden laut Marc Schneider nun doch zu 100 Prozent ausgezahlt. "Und zwar in vier Raten jeweils am Quartalsende", wie der Gewerkschaftsfunktionär erklärte. Als eine der fünf Säulen will er das ausdrücklich nicht verstanden wissen. "Diese Leistung stand den 1.200 betroffenen Mitarbeitern ohnehin zu." Arbeitszeitverkürzung "Wir haben eine kollektive Arbeitszeitverkürzung vereinbart", erklärte Schneider. Dafür seien verschiedene Entgeltgruppen definiert worden. "Die Verkürzung beginnt erst bei einem Bruttoarbeitsentgelt von 36.000 Euro jährlich, um die unteren Einkommensgruppen nicht noch mehr zu belasten." Ab 36.000 Euro sollen die Gerry-Weber-Mitarbeiter künftig zwei Stunden weniger pro Woche arbeiten, das tarifliche Entgelt wird entsprechend reduziert. Für die außertariflich Bezahlten ab einem Jahresgehalt von 78.000 Euro sollen drei Stunden wöchentlich wegfallen - auch hier wird der tarifliche Teil der Bezahlung entsprechend reduziert. Die Vereinbarung tritt zum 1. März in Kraft und läuft bis zum 31. Dezember 2021. "Wir wollen durch die Verkürzung Arbeitsplätze sichern", betont Marc Schneider. Zum genauen Volumen der Einsparungen wollte er noch nichts sagen - auch weil noch nicht feststeht, wie viele Arbeitsplätze auf betrieblicher Ebene letztlich abgebaut werden. Verzicht Die Vereinbarung sieht weiterhin vor, dass die Mitarbeiter für 2019 und 2020 auf die Jahressonderzahlung, für 2019 bis einschließlich 2021 auf ihr Urlaubsgeld verzichten. Ein Drittel der Jahressonderzahlung für 2021 wird auf Ende 2020 vorgezogen. Dieses Zugeständnis sei allerdings mit einem so genannten Besserungsschein verknüpft, so Marc Schneider. "Wenn sich das Unternehmen stabilisiert, erwirbt die Belegschaft einen nachträglichen Anspruch auf die Auszahlung." Tarifabschluss Aktuell laufen die Tarifverhandlungen für die Textil- und Bekleidungsindustrie, vom Ergebnis wird sich Gerry Weber allerdings abkoppeln. "Wir haben einen zweiprozentige Gehaltserhöhung für den 1. November 2019 und weitere zwei Prozent für den 1. November 2020 vereinbart", erklärt der Gewerkschaftssekretär. Im Januar 2022 werde man dann schauen, wie sich der Flächentarifvertrag entwickelt habe und gegebenenfalls Anpassungen nach oben vornehmen. Aktuell bieten die Arbeitgeber in den Tarifverhandlungen 3,4 Prozent mehr Lohn in zwei Schritten bis 2020, die Gewerkschaft fordert ein Plus von 5,5 Prozent. Bonus für die Gewerkschafter Der Kompromiss sieht weiterhin eine sogenannte Erholungsbeihilfe vor - 2020 könnten die Mitglieder der Gewerkschaft dann von einer Sonderzahlung profitieren. So geht es weiter "Unser Beitrag zur Sanierung steht", erklärt Marc Schneider. Wenn die Banken zustimmen und die Gerry Weber AG bis zum 31. Januar tatsächlich ein tragfähiges Finanzierungskonzept aufgestellt hat, werden auch die Zugeständnisse der IG Metall wirksam. Nun müsse das Papier noch in eine juristisch wasserdichte Form gegossen werden, erklärt der Gewerkschafter. Aus betrieblicher Ebene seien indes noch mehr Fragen offen. Voraussichtlich am 24. und 30. Januar soll erneut über Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt werden, auch hier unterstützt die IG Metall den Betriebsrat. Der Konzern hatte angekündigt, 900 Stellen, davon 300 am Stammsitz, abbauen zu wollen.

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