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Massentierhaltung: Jeden Tag verenden 37.000 Schweine

Laut einem Gutachten wird den Tieren unnötig Leid zugefügt. Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) gerät unter Druck.

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Massenhaltung: Schweine stehen dichtgedrängt im Stall. | © picture alliance

Massenhaltung: Schweine stehen dichtgedrängt im Stall. | © picture alliance

19.01.2019 | 19.01.2019, 15:20

Berlin. Jedes Jahr verenden in Deutschland 13,7 Millionen Schweine oder müssen notgeschlachtet werden, weil sie in Mastbetrieben oder beim Transport zu sehr leiden. Das geht aus einem im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion erstellten wissenschaftlichen Gutachten der Universität Kassel hervor, das dieser Zeitung vorliegt.

Demnach erliegen die meisten der sogenannten Falltiere Erkrankungen, die maßgeblich mit der Haltung, Fütterung, Leistung und Züchtung sowie vor allem mit den Hygienebedingungen bei der Fleischproduktion zusammenhängen.

Rund 92 Prozent aller konventionell gehaltenen Schweine weisen den Autoren des Gutachtens zufolge Beulen an den Gliedmaßen auf, die von der Haltung auf harten Böden herrührten. Rund 27 Prozent hätten Verletzungen an den Klauen.

"Die meisten Tiere haben Beulen an den Gliedmaßen"

Die Grünen fordern Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) zu größeren Anstrengungen beim Tierschutz in der Land- und Ernährungswirtschaft auf. „Die Studie zeigt: Tierleid ist in den aktuellen Haltungsstrukturen programmiert. Daran wird das Pseudo-Label, das Julia Klöckner gerade ausarbeitet, nichts ändern", sagte Fraktionschef Anton Hofreiter. „Für echten Tierschutz brauchen wir den großen Wurf: eine Gesamtstrategie, die bessere Regeln für die Tierhaltung, gezielte Förderung einer besseren Agrarpolitik, eine verpflichtende Fleisch-Kennzeichnung und ein umfassendes Monitoring zum Zustand der Tiere in den Betrieben miteinander verknüpft", betonte Hofreiter im Vorfeld der Internationalen Grünen Woche in Berlin.

Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Fraktion, forderte ein Umdenken in der Landwirtschaft: „Zu lange wurden die Haltungsbedingungen einzig an der Wirtschaftlichkeit festgemacht. Die Lebensbedingungen der Tiere müssen verbessert werden", forderte Ostendorff. „Es kann doch nicht sein, dass jedes Jahr über 13 Millionen Schweine in den Ställen eingehen oder sie so leiden, dass sie notgetötet werden müssen. Das sind 37.000 Tiere pro Tag!"

Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner plant die Einführung eines staatlichen Tierwohl-Kennzeichens für Fleisch im Supermarkt. Es sieht drei Stufen vor und soll voraussichtlich ab 2020 starten. Die Kriterien werden noch erarbeitet. Im Einzelhandel gibt es derzeit eine Reihe von Siegeln auf Fleischprodukten, die Aufschluss über die Haltung der Tiere geben sollen. Experten kritisieren dies aus Sicht der Verbraucher als viel zu unübersichtlich.

Kommentar der Redaktion
Weniger Fleisch auf den Teller

Von Matthias Bungeroth

Diese Zahlen müssen uns fassungslos zurücklassen. 13,7 Millionen Schweine fallen jedes Jahr in Deutschland den Bedingungen der Massentierhaltung oder des Transports zum Opfer, so besagt ein Gutachten im Auftrag der Grünen.

Eine Bilanz, die zu Beginn der Grünen Woche weniger ein Anlass sein sollte, reflexartig mit dem spitzen Finger auf die Tierhalter zu zeigen, sondern sich als Verbraucher zu fragen, ob uns allen beim Lebensmittelkonsum nicht mitunter der Blick für die Realitäten verloren gegangen ist. 43 Gramm Fleisch im Schnitt pro Tag empfehlen Ernährungsexperten. Die Realität sieht zumeist anders aus. Doch jeden Tag ein Schnitzel von der Größe eines veritablen Esstellers ist eindeutig zu viel für unsere Gesundheit.

Da dies der Realität jedoch oft nahe kommt, versuchen Fleischproduzenten, diese Nachfrage zu decken – mit verheerenden Auswirkungen für die Tiere. Ein Umdenken ist nötig.


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