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100 Jahre Frauenwahlrecht: Eine Frau und ihr Weg zur Gleichberechtigung

Margret Botschen-Thombansen (95) aus Bad Lippspringe spricht über ihr Verhältnis zur demokratischen Abstimmung. Und betont den Wert von Gleichbehandlung.

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Aufmerksam: Margret Botschen-Thombansen ist fast 100 Jahre alt, aber geistig topfit. | © Oliver Krato

Aufmerksam: Margret Botschen-Thombansen ist fast 100 Jahre alt, aber geistig topfit. | © Oliver Krato

19.01.2019 | 19.01.2019, 17:12

Bad Lippspringe. „Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist." Marie Juchacz, die erste Rednerin vor der deutschen Nationalversammlung in Weimar, gibt sich kämpferisch. Die Sozialdemokratin ist bei der Wahl zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 ins Parlament eingezogen. Erstmals haben sich Frauen daran beteiligen dürfen. 100 Jahre ist das nun her.

Bei dieser historischen Stunde ist Margret Botschen-Thombansen noch nicht auf der Welt. Die heute 95-Jährige wird am 1. Dezember 1923 in Schloß Neuhaus bei Paderborn als zweites von vier Kindern der Familie Botschen geboren. Sie wächst in einer Zeit auf, die zu den dunkelsten Kapiteln der deutschen Geschichte gehört. Freie Wahlen? Fehlanzeige! „In der NS-Zeit hatte man als Person nichts zu sagen. Da musste man gehorchen", erzählt sie in ihrer guten Stube in Bad Lippspringe (Kreis Paderborn). Sie hoffe, sagt die 95-Jährige mit blauen Augen, leicht schütterem Haar und Bernsteinkette, dass so etwas nie wieder komme, eine Zeit in der man einem Führer ausgeliefert sei.

Bei ihrer ersten Wahl entscheidet sie sich für die CDU

Als die Gräuel des Zweiten Weltkriegs ein Jahr vorbei sind, darf Botschen-Thombansen erstmals an die Wahlurne. Sie hat das Alter von 21 Jahren erreicht, ist zudem seit dem 10. Oktober 1945 mit ihrem Mann Josef verheiratet. Und weil dessen Familie katholisch ist und noch dazu ein Modegeschäft führt, wählt sie die CDU. Ausgerechnet. Seit vielen Jahren, das betont Botschen-Thombansen immer wieder, steht sie der katholischen Kirche kritisch gegenüber.

Ob die erste Wahl eine Bedeutung für sie gehabt hat? „Ich war damals eher Mitläuferin und habe darin keine Wichtigkeit gesehen." Auch in den Folgejahren sei sie oft nicht wählen gegangen. Mit zunehmendem Alter wird die Ostwestfälin aber immer politischer. Heute betont die 95-Jährige, wie wichtig es ihr ist, dass Frauen und Männer die gleiche Wertschätzung erfahren. Und natürlich sei das Frauenwahlrecht wichtig. „Durch die Erfahrungen des Krieges ist es mir als junge Frau aber schwergefallen Vertrauen zu Parteien aufzubauen."

Den Brexit hält die 95-Jährige für eine "große Dummheit"

Botschen-Thombansen hat nicht auf der Straße für Frauenrechte demonstriert, aber sie hat erlebt, wie die zunehmende Gleichberechtigung Frauen in Deutschland neue Möglichkeiten eröffnet hat. Sie gehört zu den ersten Mädchen in ihrem Umfeld, die einen Führerschein hat. Sie führt viele Jahre ein Geschäft. Noch mit 80 Jahren baut sie ein Haus. Es ist gefüllt mit Büchern über Philosophie, Politik und Kunstgeschichte.

Viele Dinge treiben sie um. Dass es hier im Unterschied zu anderen Staaten ein freies Wahlrecht gebe, sei natürlich großes Glück. Den bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU bezeichnet sie als „große Dummheit" und betont die Wichtigkeit des Zusammenhaltes. „Europa muss zusammenwachsen", sagt sie und lobt Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihre Arbeit. Kritisch sieht sie Pharma- und Waffenindustrie.

"Die Trennung von Mann und Frau ist gegen die Natur"

Dass beide Geschlechter seit 100 Jahren auch an der Wahlurne gleichberechtigt sind, stellt sie nochmals heraus. Botschen-Thombansen: „Mann und Frau gehören zusammen – auch in der Natur. Wer eine Trennung herbeiführt, arbeitet gegen sie." Marie Juchacz wird das bestätigen.

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Verband fordert Gleichstellung

„Ohne das Frauenwahlrecht wäre unsere Demokratie heute nicht denkbar. Dennoch ist die Gleichstellung noch nicht vollständig erreicht", erklärt Edda Schliepack, Frauensprecherin beim Sozialverband Deutschland. „Wir müssen nach vorne blicken und dafür kämpfen, dass mehr Frauen die Politik mitbestimmen. Dies gilt für alle Ebenen – für Kommunen, Länder und den Bund." (dpa)

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