1. Lokalnachrichten
  2. Bielefeld
  3. Mitte
  4. Rechte im Wohnzimmer, Hitlergruß und Körperverletzungen - das wurde aus den Vorfällen der Nazi-Demo

Bielefeld

Rechte im Wohnzimmer, Hitlergruß und Gewalt - was aus den Vorfällen der Nazi-Demo wurde

28 Strafanzeigen hat die Polizei gefertigt: Was ist aus den verschiedenen Fällen eigentlich geworden?

Strafanzeige: Ein Video zeigt diesen Mann, wie er gleich am Bahnhof einen Hitler- oder Kühnengruß zeigt. Die Polizei zeigte ihn inzwischen an. | © Archivfoto: NW

Strafanzeige: Ein Video zeigt diesen Mann, wie er gleich am Bahnhof einen Hitler- oder Kühnengruß zeigt. Die Polizei zeigte ihn inzwischen an. | © Archivfoto: NW

18.01.2019 | 18.01.2019, 17:51

Bielefeld. Die Nazi-Demo am 10. November in Bielefeld bleibt immer noch ein großes Thema in Bielefeld. Am Donnerstag tagte sogar der Innenausschuss zu den Vorfällen. Es gab Kritik an der Polizeitaktik und den Rechtfertigungen von Innenminister Herbert Reul. Doch was blieb eigentlich strafrechtlich davon übrig? Einige Vorwürfe lösten sich in Luft auf, andere liegen nun bei der Staatsanwaltschaft.

Insgesamt 28 Strafanzeigen rund um das Demogeschehen hat die Polizei schließlich gefertigt. Zwölf richten sich gegen Vertreter der Nazi-Demo, 14 gegen Teilnehmer der zehn Gegenkundgebungen, in zwei Fällen ist noch unklar, wem der Tatvorwurf zu machen ist.

Ein Vorfall blieb vielen Demo-Teilnehmern besonders in Erinnerung: Als Anwohner am Siekerwall die Nazi-Demo mit Musik vom Fenster aus beschallen, stehen plötzlich zwei Männer der rechten Demo im Wohnzimmer der Anwohner, werfen die Lautsprecher um und hauen auf ein Laptop ein.

Anzeigen für "Sieg Heil", Hitlergruß und antisemitische Parole

Wie die Polizei nun anlässlich der Innenausschuss-Sitzung mitteilte, konnte zu diesem Fall "festgestellt werden, dass keine Gegenstände beschädigt wurden". In Betracht komme nur noch der Tatbestand des Hausfriedensbruchs, doch dazu liege bisher kein Strafantrag vor. Erschwerend kommt hinzu: Die Männer im Wohnzimmer konnten ohnehin bisher nicht identifiziert werden.

Drei Strafanzeigen wurden gefertigt "wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen". Das heißt, zwei Personen hatten "Sieg Heil" gerufen. Einer von ihnen wurde als Teilnehmer der Neonazi-Demo identifiziert. Der andere hatte sich aus seiner Wohnung heraus so geäußert und gilt daher nicht als Versammlungsteilnehmer. Eine Strafanzeige gilt dem Zeigen des "Hitler- beziehungsweise Kühnengrußes". Ein Neonazi hatte gleich am Hauptbahnhof den Gruß gezeigt.

Viel diskutiert wurde auch über den Ausruf eines Neonazis am Niederwall. Der bereits in Dortmund zum Politikum avancierte Satz "Wer Deutschland liebt, ist Antisemit" führte in Bielefeld zu einer Strafanzeige wegen Volksverhetzung.  Wie Polizeisprecherin Sonja Rehmert mitteilte, wurde im Vorfeld der Demo mit der Staatsanwaltschaft abgestimmt, dass im Fall des Skandierens der Parole eine Strafanzeige erstattet werden soll.

Wie berichtet, stand der Polizei während des Demogeschehens ein Staatsanwalt zur Seite, um solche Vorfälle schnell einordnen zu können. Der Satz war ungeachtet der strafrechtlichen Einschätzung ohnehin in den Auflagen für die Nazi-Demo bereits im Vorfeld verboten worden. Das Skandieren wurde erst im Nachhinein der Polizei bekannt.

Gewalttaten eher aus dem Spektrum der Gegendemonstranten

In acht Fällen geht es um Gewalttaten. Eine Person aus dem Spektrum der Gegendemonstranten muss sich sogar wegen "gefährlicher Körperverletzung" verantworten. Hier handelte es sich um eine Straftat unter Versammlungsteilnehmern.

Zwei Gegendemonstranten wurden wegen Körperverletzung von Polizisten angezeigt, bei zwei weiteren Körperverletzungen gegen Polizisten sind die Tatverdächtigen noch unbekannt.

Körperverletzung: Insgesamt fünf Körperverletzungen wurden registriert. Darunter fallen auch die geworfenen Böller von Seiten der Gegendemonstranten am Hauptbahnhof. - © Archivfoto: Sarah Jonek
Körperverletzung: Insgesamt fünf Körperverletzungen wurden registriert. Darunter fallen auch die geworfenen Böller von Seiten der Gegendemonstranten am Hauptbahnhof. | © Archivfoto: Sarah Jonek

Dreimal erstatteten Polizeibeamte wegen Widerstandes Anzeige. Dies betrifft zwei Gegendemonstranten, in einem Fall konnte noch kein Tatverdächtiger identifiziert werden.

Darüber hinaus verfolgt die Polizei drei Beleidigungen (verdächtigt werden drei Gegendemonstranten), einen Verstoß gegen das Waffengesetz (ein Neonazi hatte ein Messer dabei) sowie elf Fälle, die einen Verstoß gegen das Versammlungsrecht darstellen.  Acht Nazis und zwei Gegendemonstranten hatten verbotene Gegenstände bei sich. Außerdem wirft die Polizei Klaus Rees vom "Bündnis gegen Rechts" vor, als Versammlungsleiter nicht bei der Demo in Quelle aufgetaucht zu sein.

Demo-Anmelder Klaus Rees verstößt gegen Versammlungsrecht?

Wie berichtet, hätte sich Rees am Queller Bahnhof aufhalten müssen, weil er dort eine Demo angemeldet hatte. Ein Nichterscheinen stellt einen Verstoß gegen das Versammlungsrecht dar. Rees war tatsächlich in der Innenstadt. Ihm zufolge war es nicht gelungen, die Polizei telefonisch zu unterrichten, dass er einen Vertreter als Versammlungsleiter hat.

18 der 28 Strafanzeigen wurden inzwischen der Staatsanwaltschaft übergeben. In sechs Fällen hat die Anklagebehörde bislang Strafverfahren eingeleitet. In den anderen Fällen dauern die Ermittlungen noch an.

Nicht aufzuklären war laut Polizei das Urinieren eines rechten Demosntranten gegen die Tür des Bunker Ulmenwalls. Der Vorfall war der Behörde erst durch die Medienberichterstattung bekannt geworden: "Eine Recherche dazu ist nicht möglich", heißt es in der Stellungnahme der Polizei.

Mehrere Vorwürfe gegen die Polizei bleiben unklar

Zu dem Anwohner, der am Jahnplatz nicht in seine Wohnung gelassen wurde und dem sogar eine Ingewahrsamnahme angedroht worden sein soll, liegen der Polizei keinerlei Informationen vor.

Dieses Foto zeigt den Pfeffersprayeinsatz von Polizeibeamten gegen Demonstranten, die die Absperrungen am Niederwall durchbrochen hatten. - © Archivfoto: Oliver Herold
Dieses Foto zeigt den Pfeffersprayeinsatz von Polizeibeamten gegen Demonstranten, die die Absperrungen am Niederwall durchbrochen hatten. | © Archivfoto: Oliver Herold

Der Vorwurf einer Rechtsanwaltsgruppe, wonach eine Anwältin von einem Polizeibeamten "körperlich attackiert" worden sein soll, steht laut Polizei nach Rücksprache mit dem Beschwerdeführer des "Legal Team" nicht mehr im Raum. Dass einem Tatverdächtigen (Graffiti an Hauswand) im Polizeigewahrsam die Kontaktaufnahme zu einem Anwalt verwehrt worden sei, lässt sich der Einsatzdokumentation nicht entnehmen, schreibt die Polizei. Demnach habe er diesen Wunsch nicht geäußert.

Zu einem "Angriff mit Pfefferspray", von dem die Polizei erst durch die Medien erfahren hat, gibt es bis heute weder Strafanzeigen noch Berichte der eingesetzten Polizeibeamten, heißt es. Bei dem Vorfall sollen Teilnehmer der Gegenversammlungen von Teilnehmern der Nazi-Demo mit Pfefferspray angegriffen worden sein.