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Eurobahn-Kundin steigt für Toilettengang um und wird am Bahnhof zurückgelassen

Schaffner soll "selbst schuld" gesagt haben / Sprecherin entschuldigt sich

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Die Eurobahn steht erneut in der Kritik. | © Martin Düsterberg

Die Eurobahn steht erneut in der Kritik. | © Martin Düsterberg

05.12.2018 | 06.12.2018, 13:57

Bielefeld. Eine Bielefelder Eurobahn-Kundin ist am Samstag am Bahnsteig stehengelassen worden, nachdem sie aus dem hinteren in den vorderen Wagen umgestiegen war, um dort die Toilette zu benutzen. Die Kabinen im hinteren Wagen waren verriegelt. Ein Zugführer soll sich geweigert haben, die Türen für die 29-Jährige (Name der Redaktion bekannt) noch einmal zu öffnen.

Die Frau, die anonym bleiben möchte, berichtet, sie habe mit ihrem Freund vom Weihnachtsmarkt in Münster nach Brackwede zurückfahren wollen. Dazu stiegen sie um 20.10 Uhr in die Eurobahn 69, die nach Bielefeld fährt. Weil der Zug in Hamm geteilt werden sollte, habe sich das Paar in den hinteren Waggon gesetzt. Der vordere sollte nach Paderborn weiterfahren.

Sie habe dann zur Toilette gemusst, doch keine der zwei Kabinen habe sich öffnen lassen, erzählt die Bielefelderin. Hinweisschilder seien nicht angebracht gewesen. Weil im Waggon auch kein Zugbegleiter gewesen sei, den sie hätte fragen können, sei sie in Drensteinfurt schnell in den vorderen Waggon umgestiegen und dort zur Toilette gegangen. Ihr Freund blieb im hinteren Waggon.

"Wir haben sieben Minuten Verspätung!"

In Mersch (Westfalen), zwei Halte vor Hamm, habe sie dann per schnellem Sprint wieder in den hinteren Waggon umsteigen wollen. "Es vergingen nur Sekunden", berichtet die 29-Jährige. Als sie ankam, habe sich die vorderste Tür nicht mehr geöffnet. Versuche anderer Fahrgäste, die Tür von innen zu öffnen, halfen nicht.

Daraufhin sei sie zum Zugführer nach vorne gerannt, und habe ihm das Problem geschildert. "Seine geschriene Antwort war: Wir haben sieben Minuten Verspätung", schildert die Bielefelderin. Was sie sich denn denken würde. Der Zug sei dann weitergefahren. "Ich stand im Stockdunkeln auf dem gottverlassenen Gleis in Mersch. Ohne Jacke."

Die Bielefelderin rief ihren Freund an, der noch im Zug saß. Der suchte das Gespräch mit einem mittlerweile zugestiegenen Schaffner. Nachdem dieser mit dem Zugführer gesprochen hatte, gab er zu, dass es zwar unglücklich sei, dass der Zugführer die Frau wissentlich zurückgelassen habe, aber dass die Bielefelderin "ja auch selbst schuld sei". Das habe der Zugführer wörtlich gesagt, sagt der Freund der 29-Jährigen auf Rückfrage der NW.

Außerdem seien Toiletten ein "freiwilliger Kundenservice" der Eurobahn, habe der Schaffner erklärt. Und Hinweisschilder seien an den Toiletten wohl nicht angebracht gewesen, weil das "zu viel Aufwand" sei.

Eurobahn bedauert den Vorfall

Eurobahn-Sprecherin Nicole Pizzuti räumt ein, ein solcher Fall "darf und soll so nicht sein". Zwar stimme es, dass Toiletten eine Service-Leistung seien. Damit sei aber nicht gemeint, dass man grundsätzlich besser vorher aufs Klo gehen solle oder dass die Kundin selbst schuld sei. "Das heißt nicht, dass wir sagen: Seht zu, wie ihr klar kommt." Man bedaure den Vorfall.

Überraschend: Der Triebfahrzeugführer will nach Aussage von Pizzuti nicht mitbekommen haben, dass die Kundin vor der Tür stand. Die Betroffene bleibt bei ihrer Darstellung: Es habe sich jemand aus dem Führerhaus gebeugt und ihr geantwortet.

Die Eurobahn hatte in den vergangenen Wochen immer wieder mit Problemen im Betriebsablauf zu kämpfen. Mal fehlten Zugführer und etliche Züge konnten nicht fahren. Auch die Toiletten machten in der Vergangenheit wegen voller Tanks oder kaputter Entsorgungsanlagen Probleme. Mittlerweile hat der Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe die Eurobahn zum zweiten Mal abgemahnt und mit Kündigung der Verträge gedroht.

Bahn: Kein Rechtsanspruch auf Zugtoiletten

Laut Pizzuti seien die Toilettentüren allerdings nicht wegen derselben Probleme wie zuletzt geschlossen gewesen. Womöglich seien die Tanks lediglich voll gewesen. Die Türen würden auch dann abgesperrt, wenn die Kabine nach Benutzung stark verunreinigt sei, gibt Pizzuti zu bedenken. Der genaue Grund ist unklar.

Einen Rechtsanspruch auf Toiletten in Regionalzügen gibt es zumindest nach Ansicht der Deutschen Bahn nicht. Eine Frau hatte 2016 geklagt, nachdem sie eine defekte Zugtoilette nicht benutzen konnte und sich später am Bahnhof in die Hose gemacht hatte. Die Richter urteilten, sie hätte aussteigen, zur Toilette gehen und mit einem späteren Zug weiterfahren müssen. Allerdings rügten sie auch, dass die Frau vor der Abfahrt nicht über die defekte Toilette informiert worden sei.


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