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Detmold

Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck erscheint als Zuschauerin im Auschwitz-Prozess

Anwälte von Überlebenden halten Plädoyers und der seit Februar laufende Prozess nähert sich einem Urteil

Ursula Haverbeck-Wetzel, mehrfach verurteilte Holocaustleugnerin. | © dpa

Ursula Haverbeck-Wetzel, mehrfach verurteilte Holocaustleugnerin. | © dpa

27.05.2016 | 27.05.2016, 16:36

Detmold. Im Detmolder Auschwitz-Prozess gegen den ehemaligen SS-Wachmann Reinhold Hanning haben am Freitagmorgen die Plädoyers der Nebenkläger-Anwälte begonnen. Für Aufsehen sorgte aber zunächst, dass die mehrfach verurteilte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck als Zuschauerin im Saal saß. Schon vor Prozessbeginn kämpften einige Angehörige der Nebenkläger deshalb mit den Tränen.

Haverbeck hatte die Möglichkeit, als Zuschauerin den Saal zu betreten, da das Zuschaueraufkommen am Freitag nicht sehr groß war. Sie diskutierte zwar unter anderem mit Ruth de Vries, Tochter der Nebenklägerin Erna de Vries, verhielt sich aber sonst während der Verhandlung ruhig. Das Gericht hatte somit keine rechtliche Handhabe, sie des Gerichtes zu verweisen. Beim Verlassen des Saales wurde die 87-Jährige von Zuschauern angepöbelt, die Polizei schritt sofort ein. Bereits vor dem Prozess-Auftakt im Februar war Haverbeck vor dem Gerichtsgebäude erschienen, was einen Tumult auslöste. Im November war die Seniorin von einem Gericht zu zehn Monaten Haft verurteilt worden. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig.

Nebenklägeranwalt Thomas Walther bespricht mit der Auschwitz-Überlebenden Hedy Bohm ihre Aussage. - © Bernhard Preuß
Nebenklägeranwalt Thomas Walther bespricht mit der Auschwitz-Überlebenden Hedy Bohm ihre Aussage. | © Bernhard Preuß

Den Auftakt der Plädoyers der Nebenkläger-Anwälte machte Rechtsanwalt Thomas Walther, der mit 26 Überlebenden und ihren Angehörigen fast die Hälfte der insgesamt 57 Nebenkläger vertritt. Anderthalb Stunden sprach er. Er warf dem Angeklagten Reinhold Hanning Unglaubwürdigkeit und fehlende Reue vor. Die schriftliche Erklärung des 94-Jährigen bezeichnete Walther als substanzlos. „Aus der Sicht der Nebenkläger wird der Versuch unternommen, sich mit untauglichen Mitteln aus jeglicher Verantwortung heraus zu reden."

Walther appellierte immer wieder an den Angeklagten, sich seiner Verantwortung zu stellen. Er solle sich nicht als Unglücksfall darstellen, der ohne eigenes Zutun nach Auschwitz kam, „um dort als unbeteiligter Zaungast zuzuschauen". Ein Strafmaß forderte der Anwalt nicht, diese Entscheidung überlasse er dem Gericht.

Ähnlich äußerte sich Cornelius Nestler, zweiter Opferanwalt. Er lobte die Anklage, weil sie endlich eine Selbstverständlichkeit anerkenne: Wachleute, die ein auf die Tötung von Menschen ausgerichtetes System absicherten, seien am Massenmord beteiligt gewesen. Dieser Auffassung war die Justiz jahrzehntelang nicht gefolgt, hatte Verfahren eingestellt oder erst gar nicht ermittelt.

Nestler hob hervor, Hanning sei kein einfacher Befehlsempfänger gewesen. Als SS-Unteroffizier habe er eine Schlüsselfunktion gehabt - „mit umfassender Kenntnis der Abläufe der Vernichtung, mit besonderer Befehlsgewalt, mit besonderem Vertrauensverhältnis zur Kompanieführung". Weil der Angeklagte genau gewusst habe, dass seine Tätigkeit dazu diene, das Morden möglich zu machen, sieht Nestler Hannings Verhalten gar im Grenzbereich zur Mittäterschaft, nicht der bloßen Beihilfe.

Weitere der insgesamt 19 Opferanwälte werden mit ihren Vorträgen am kommenden Prozesstag folgen, bevor die Verteidiger an die Reihe kommen. Damit nähert sich der seit Februar laufende Prozess einem Urteil. Drei weitere Prozesstage sind angesetzt.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 94-jährigen Mann aus dem lippischen Lage Beihilfe zum Mord in mindestens 100.000 Fällen vor. Der Ankläger hatte in der vergangenen Woche eine Haftstrafe von sechs Jahren gefordert. Hanning habe als Wachmann der SS am Vernichtungszweck des Lagers mit seinen massenhaften Vergasungen von Häftlingen, Erschießungen und dem Verhungern-Lassen mitgewirkt. In Auschwitz starben mindestens 1,1 Millionen Menschen, vor allem Juden.

Der Angeklagte hatte eine umfangreiche Erklärung zu seiner Zeit in Auschwitz verlesen lassen und auch eingeräumt, vom Morden gewusst zu haben. In einer knappen persönlichen Erklärung hatte er sich für sein Verhalten entschuldigt. Nachfragen zu seiner genauen Rolle in dem Vernichtungslager beantwortete er nicht.

Mit Material der dpa