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Drei Erkenntnisse aus dem Youtube-Interview mit Angela Merkel

Vier Youtuber stellten Fragen aus ihrer Fangemeinde

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Angela Merkel im Gespräch mit Youtuber "MrWissen2go". | © @Deine Wahl auf Youtube

Angela Merkel im Gespräch mit Youtuber "MrWissen2go". | © @Deine Wahl auf Youtube

16.08.2017 | 16.08.2017, 17:06

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich zum zweiten Mal nach 2015 in einem Interview den Fragen von Youtubern gestellt. Das sollte insbesondere den knapp drei Millionen jungen Menschen, die den Youtubern folgen, Gehör verschaffen im Ohr der Kanzlerin. Drei Erkenntnisse eines viel zu gewöhnlichen Interviews.

1. Wer die gleichen Fragen stellt, bekommt die gleichen Antworten

Der Plan der Organisatoren dürfte in etwa so ausgesehen haben: Wir lassen mal jemand anderes die Fragen stellen, dann kommt da auch ein anderes Interview heraus. Das kann auch funktionieren. Allerdings müssen dafür auch andere Fragen gestellt werden.

Nach dem Interview muss man konstatieren: Ganz offensichtlich haben die gerne pauschal als "die jungen Leute" bezeichneten Menschen die beinahe exakt selben Sorgen wie alle älteren. Was ja nichts Schlechtes ist. Wenn sie sich für den Diesel-Skandal, Breitbandausbau, Feminismus oder die Türkei unter Erdogan interessieren: Gut so!

Allerdings hat Angela Merkel sich zu all diesen Themen mehrfach und ausführlich geäußert. Ungewöhnlich gefragt wird nur vereinzelt, zum Beispiel als Youtuberin Ischtar Isik aus Paderborn nach zwei Dingen fragt, die Merkel tun will, um junge Menschen besser zu erreichen, außer einmal alle zwei Jahre das Wahlprogramm als Youtube-Video zu posten.

Allerdings ist Merkel Medienprofi, kann also auch kontern. Als Youtuber "AlexiBexi" feststellt, dass seine Fragen zur Elektromobilität sehr technisch waren, sagt sie süffisant: "Es waren ja ihre Fragen." Auch humoristisch wertvoll: Ischtar Isik gibt zu, dass dies ihr erstes Interview überhaupt war. Merkel: "Ach, und bisher haben sie nur Selbstdarstellung gemacht?"

2. Die Fragen waren kritischer als vor zwei Jahren bei "LeFloid" - aber nicht alle

Hier zunächst ein paar Fragen aus dem Interview, die Merkel als reine Vorlage dienten: "Sollten Sie nicht den Feminismus unterstützen?" "Haben Sie ihr Vorhaben, Elektroautos auf die Straße zu bringen, aufgegeben?" "Bringt meine Stimme etwas?" Die Antworten auf solche Fragen sind erwartbar, politisiert, auf Wahlkampf abgestimmt. Also für Wähler kaum zu gebrauchen.

So kritisch der Blick von Merkel ist, so unkritisch war so manche Frage. - © @Deine Wahl auf Youtube
So kritisch der Blick von Merkel ist, so unkritisch war so manche Frage. | © @Deine Wahl auf Youtube

Doch es gab durchaus Momente, in denen es nicht an den Fragen lag, dass die Zuschauer nichts Erhellendes erfahren haben. Als Youtuber "MrWissen2go" Merkel fragt, was sie bei Tweets von Donald Trump denkt, sagt Merkel, dass Sprache "die Vorstufe von Eskalation" sein kann. Stimmt. Aber das war nicht die Frage.

Und es gab auch interessante Antworten auf gute Fragen. Wie Merkel sicherstellen will, dass die Autoindustrie besser kontrolliert wird, zum Beispiel. Ihre Antwort: Durch verpflichtende Abgastests unter Realbedingungen. Oder die Frage, warum sie bei der Abstimmung über das Gesetz für die Ehe für alle mit Nein gestimmt hat. "Für mich ist die Ehe eine Verbindung zwischen Mann und Frau." Da weiß man als Wähler durchaus, woran man bei der Kanzlerin ist.

3. Angela Merkel hasst es auch weiterhin, sich festzulegen

Die Kanzlerin hält sich gern alle Optionen offen, lässt sich kaum einmal zu eindeutigen Versprechen oder Sätzen hinreißen, die sich hinterher schwer zurücknehmen lassen. Das ist auf der einen Seite eine Qualität, macht es den Bürgern allerdings schwer, herauszufinden, was konkret von ihr zu erwarten ist.

Die Youtuber, das muss man ihnen zugute halten, sind bemüht, konkrete Antworten zu bekommen. Fragen nach zwei oder drei Dingen, die Merkel tun will. Doch das funktioniert kaum einmal. Warum kommt der Breitbandausbau nicht in die Gänge? "Kommt doch in die Gänge." Was, wenn Journalisten in der Türkei weitere Monate inhaftiert bleiben? "Wir können nur hart sprechen, handeln, keine falschen Kompromisse eingehen." Aha.

Fazit: Nicht wirklich klüger

Es war nicht zu erwarten, dass die vier Youtuber der Kanzlerin die ganz großen Geheimnisse entlocken würden. Aber man hätte ihnen am ehesten zugetraut, ihr durch eine andere Ansprache, andere Themen, andere Fragen ein paar neue Facetten abzuringen. Leider hat das nicht wirklich geklappt.

Zum einen, weil sich die Youtuber natürlich professionell geben wollten. Vielleicht ging es deshalb um dieselben Themen, zu denen Merkel sich jeden Tag äußert. Unter diesen Voraussetzungen unterschied sich das Interview nicht besonders von den vielen Talkrunden im Fernsehen.

Es wäre also mehr, nein, wichtiger, anderes drin gewesen. Fast hätte man sich gewünscht, Beauty-Vloggerin Isik hätte Merkel nach ihrem Make-Up gefragt. Das hätte zumindest ein wenig "Realness" auf Seiten der Kanzlerin provozieren können. Antworten, die tatsächlich jungen Menschen weiterhelfen, haben die Youtuber Merkel nicht abringen können.


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