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Warum DRK und Caritas gezielt Migranten zum Blutspenden aufrufen

Jährlich fallen 100.000 Spender weg und der Nachwuchs fehlt. Das gefährdet die Versorgung. Doch die Bereitschaft ist gering. Das DRK sucht nun gezielt Migranten, denn für sie ist die geringe Spendenbereitschaft besonders gefährlich.

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Kleiner Aufwand, große Wirkung: Obwohl 33 Prozent der Bevölkerung Blut spenden können, tun es nur drei Prozent. | © picture alliance

Kleiner Aufwand, große Wirkung: Obwohl 33 Prozent der Bevölkerung Blut spenden können, tun es nur drei Prozent. | © picture alliance

18.06.2019 | 18.06.2019, 10:46

Berlin/Bad Oeynhausen. Das solidarische Blutspendesystem in Deutschland wankt. Jedes Jahr fallen nach Angaben des Deutschen Roten Kreuz (DRK) 100.000 Spender aus, weil sie die Altersgrenze erreichen oder krank werden, doch der Nachwuchs fehlt. Auch die Bemühungen um blutsparende Behandlungen kann die Lücke auf Dauer nicht schließen. „Wenn sich nicht mehr Menschen engagieren, ist langfristig die Versorgungssicherheit gefährdet", warnt Martin Oesterer vom DRK-Blutspendedienst. Das Potenzial dafür ist riesig, denn obwohl 33 Prozent der Bevölkerung Blut spenden können, tun es lediglich drei Prozent.

Bundesweit werden täglich 15.000 Blutspenden benötigt. Neben Unfallopfern und Patienten mit Organtransplantationen sind vor allem Krebspatienten darauf angewiesen. Jeder Dritte ist mindestens einmal im Leben auf Blut angewiesen. Künstliche Alternativen gibt es bislang nicht. „Und auch mit Blick auf die nächsten 15 Jahre ist nicht erkennbar, dass wir auf Spenden verzichten können", erklärt Cornelius Knabbe, Leiter des Uni Blutspendedienst OWL mit sechs Spendeeinrichtungen in der Region. „Deshalb ist absehbar, dass es zu Versorgungsschwierigkeiten kommen wird, wenn die Bereitschaft so gering bleibt."

In den Sommerferien herrschen Engpässe in Krankenhäusern

Gründe für die geringe Spendenbereitschaft gibt es laut Knabbe viele: „Zum einen erreichen wir und das DRK mit unseren Appellen nicht alle Teile der Bevölkerung. Zum anderen herrschen Unwissenheit oder Angst." Zudem schrecken mögliche Blutspender auch vor dem Aufwand einer Blutspende zurück. „Das geringe Engagement ist ein gesellschaftliches Problem, das sich in vielen sozialen Bereichen beobachten lässt."

Mit Blick auf die bald beginnenden Sommerferien steht den Krankenhäusern in NRW und anderen Bundesländern eine schwierige Zeit bevor. „In Ferienzeiten müssen Kliniken hoch effektiv managen, weil es Engpässe gibt", erklärt Knabbe, Direktor des Instituts für Laboratoriums- und Transfusionsmedizin im HDZ NRW. „Auch wenn ein Großteil der Bevölkerung im Urlaub ist, sinkt der Blutbedarf nur marginal, weil Kranke nicht im Urlaub sind. Im HDZ wird auch in den Sommerferien transplantiert."

Migranten vertragen die Blutkonserven europäischer Spender häufig nicht

Für die Migranten und Flüchtlinge in Deutschland ist die geringe Blutspendenbereitschaft besonders gefährlich, denn viele Bürger mit ausländischen Wurzeln vertragen Blutkonserven europäischer Spender nicht. Das kann zu lebensgefährlichen Komplikationen bis zum Tod führen. Um auch Migranten und Flüchtlinge optimal mit Blutpräparaten versorgen zu können, läuft in Nordrhein-Westfalen ein bundesweit einzigartiges Projekt.

Der Verbund zur Typisierung von Blut- und Stammzellspender unter Flüchtlingen und Migranten in NRW (Blustar NRW) arbeitet bereits seit 2017 daran, dass passende Spender für Blut- und Stammzellenübertragungen für möglichst viele Menschen gefunden werden. „Für Menschen, die in den vergangenen Jahren aus unterschiedlichen Ländern nach Deutschland gekommen sind, bedeutet alleine die Tatsache, dass sie andere Blutmerkmale besitzen können, ein gesundheitliches Risiko, weil im Notfall passende Blutpräparate fehlen", erklärt Projektkoordinatorin Tanja Reimer.

Blutgruppen sind regional sehr unterschiedlich verteilt

„Passende Spender für Blut- und Stammzellenübertragungen zu finden ist sowieso schon nicht einfach. Doch bei Menschen mit anderer Ethnie, ist das noch viel schwerer, weil sie sehr seltene Blut- und Stammzelleigenschaften besitzen können, die mit denen von Europäern nicht oder nur teilweise übereinstimmen."

Das AB0-System mit den Blutgruppen A, B, 0 und AB gilt weltweit, „allerdings unterscheidet sich zum einen die Verteilung der Blutgruppen und der Rhesusfaktoren und zum anderen die Blutmerkmale", erklärt Knabbe. „In Deutschland sind die Blutgruppen 0 und A sehr häufig verteilt, während in afrikanischen Ländern die Blutgruppe B dominiert", ergänzt Knabbe. Zudem unterscheiden sich häufig die Blutmerkmale.

Blutspendedienste suchen gezielt nach Migranten aus bestimmten Regionen

Deshalb kommt es immer wieder dazu, dass Blutspendedienste gezielt nach Blutspendern aus Schwarzafrika oder anderen Teilen der Welt suchen. „Damit auch die Migranten und Flüchtlinge optimal versorgt werden können, ist es wichtig, dass die Spendenbereitschaft steigt. Damit helfen die Spender nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund, sondern der gesamten Bevölkerung", sagt Knabbe.

Um die Zahl der Spender unter Migranten und Flüchtlingen zu erhöhen und, um einen Spenderstamm mit seltenen Blutmerkmalen aufzubauen, haben sich in dem Projekt Blustar NRW der DRK-Blutspendedienst West, die Unikliniken Essen und Düsseldorf, die westdeutsche Spender-Zentrale und die Caritas vereint. „Bis 2020 wird das Projekt noch von der EU gefördert. Bis dahin wollen wir möglichst viele Spender finden und das Thema Blutspende in den Communitys der Bevölkerungsgruppen etablieren", erklärt Reimer.

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Gesundheitscheck vor der Spende

Bevor Blut gespendet werden kann, müssen potenzielle Spender einen Gesundheitscheck bei einem Spendearzt absolvieren. Zudem müssen Spender über 18 Jahre alt und gesund sein. „Zudem gibt es vor jeder Spende einen kurzen Gesundheitscheck und es besteht immer die Möglichkeit, einen Arzt zu kontaktieren. Das ist vor allem für junge Menschen wichtig, die oft jahrelang nicht bei einem Hausarzt gewesen sind", erklärt Cornelius Knabbe, Leiter des Uni Blutspendedienst OWL.

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