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Erschossener Politiker

Verdächtiger im Fall Lübcke machte "rechtsextremistische Karriere"

Walter Lübcke (CDU) ist erschossen worden. | © picture alliance/dpa

Walter Lübcke (CDU) ist erschossen worden. | © picture alliance/dpa

18.06.2019 | 18.06.2019, 19:55

Berlin (epd). Der Tatverdächtige im Fall des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke war den Behörden seit Jahrzehnten als Rechtsextremist bekannt. Stephan E. habe in den späten 1980er Jahren eine „rechtsextremistische Karriere" begonnen und sei seitdem im Milieu unterwegs, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, am Dienstag in Berlin.

Nach seinen Worten ist der mutmaßliche Täter zuletzt dennoch nicht mehr im Fokus der Behörde gewesen, weil er in den vergangenen Jahren „nicht mehr so deutlich" in Erscheinung getreten sei. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sprach angesichts er bisherigen Ermittlungserkenntnisse von einem „Alarmsignal" und einer neuen Qualität rechtsextrem motivierter Gewalt.

„Ein rechtsextremistischer Anschlag auf einen führenden Repräsentanten des Staates ist ein Alarmsignal, richtet sich gegen uns alle", sagte Seehofer und fügte hinzu: „Der Rechtsextremismus ist eine erhebliche und ernstzunehmende Gefahr für unsere freie Gesellschaft."

Man müsse davon ausgehen, dass es sich um einen Rechtsextremen handelt

Gemeinsam mit Haldenwang und dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, trat Seehofer am Dienstag zu einem kurzfristig einberufenen Termin vor die Presse. Seehofer bestätigte, was bereits am Montag der Generalbundesanwalt erklärt hatte, nachdem er die Ermittlungen im Fall Lübcke an sich gezogen hatte: Nach allem, was man jetzt wisse, müsse man davon ausgehen, „dass es sich bei dem Täter um einen Rechtsextremisten handelt und die Tat einen rechtsextremistischen Hintergrund hat", sagte Seehofer.

Ob der Täter allein gehandelt habe oder Teil einer Gruppe oder gar eines Netzwerkes sei, sei zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht klar, sagte der Minister. Als Tatmotiv könne „nichts ausgeschlossen werden".

Dass die Ermittler von einem rechtsextremistischen Anschlag ausgehen, begründeten sie mit der Biografie von Stephan E., der am Wochenende gefasst wurde und in Haft sitzt. Laut BKA-Chef Münch hat E. mehrere Vorstrafen, darunter auch einschlägig rechtsextrem motiviert. Der Verdächtige, der am 2. Juni den 65-jährigen Walter Lübcke spätabends vor dessen Wohnhaus mit einem Kopfschuss getötet haben soll, wollte sich Münch zufolge selbst zu den Vorwürfen bislang nicht einlassen. Lübcke war wegen seiner Haltung in der Flüchtlingspolitik offenbar in der rechtsextremen Szene verhasst.

Keine Vermerke des Verdächtigen mehr seit 2009

Der letzte Eintrag von E. bei den Behörden stammt Münch zufolge aus dem Jahr 2009. Damals sei es um den Verdacht auf Landfriedensbruch gegangen. Seitdem gibt es den Sicherheitsbehörden zufolge keine Vermerke mehr. E. geriet daraufhin offenbar aus dem Fokus der Behörden. Der Verfassungsschutz geht in seinem aktuellen Bericht von 12.700 gewaltorientierten Rechtsextremisten aus, zu denen wohl auch der mutmaßliche Täter zählen muss. Es sei schier unmöglich, die alle rund um die Uhr im Blick zu behalten, sagte Verfassungsschutzchef Haldenwang.

Man müsse sich aber zukünftig intensiver damit auseinandersetzen, dass es wie im Bereich Islamismus auch im Rechtsextremismus sogenannte Schläfer geben könne, sagte er. Als Schläfer gelten Personen, die vor einer extremistischen Gewalttat unauffällig sind. Eines sei klar, sagte Haldenwang: „Angesichts der Dimension der Bedrohung durch den Rechtsextremismus sind wir noch nicht wirklich in der Lage zu sagen, wir beherrschen diese Bedrohung vollständig."

Information


Der Tatverdächtige im Mordfall Walter Lübcke hat 2016 der AfD Geld gespendet. Das geht aus Informationen hervor, die der NW vorliegen. Es handelt sich um 150 Euro, die auf ein Konto des Bundesverbands der Partei gespendet wurden. Sie sollten dem besonders radikalen Landesverband Thüringen von Björn Höcke zugehen. Im Verwendungszweck der Überweisung von einem Konto der Sparda-Bank Hessen hat E. die Worte „Gott segne euch" angegeben.

Nach Bekanntwerden der Spende forderten die AfD-Parteichefs Alexander Gauland und Jörg Meuthen: „Der widerwärtige Mord an Walter Lübcke muss umgehend und lückenlos aufgeklärt werden. Die AfD und ihre Fraktionen verurteilen als Rechtsstaatspartei extremistische Gewalt in jeglicher Form aufs Schärfste." Über den Eingang der Spende von Stephan und deren Verwendung wollte die Partei „aus datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen Gründen keine Auskunft geben".