Düsseldorf. Die "Stunde Null" nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war gar kein Neuanfang - auch im neuen Bundesland Nordrhein-Westfalen nicht. Eine neue Studie über die Anfangszeit des Düsseldorfer Landesrechnungshofes, die dieser Zeitung exklusiv vorliegt, belegt, dass auch bei der Gründung von NRW viele politisch vorbelastete ehemalige NS-Beamten zur Stelle waren.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass bei der Gründung des NRW-Landesrechnungshofes in Düsseldorf 95 Prozent der Belegschaft ehemalige NSDAP-Mitglieder waren.
Prominentestes Beispiel ist der spätere Chef des Bundeskanzleramtes unter Konrad Adenauer, Hans Globke.
Der NS-Jurist wurde 1949 zum Vizepräsidenten des neu gegründete Landesrechnungshofes (LRH) ernannt. Globke gilt als Paradebeispiel für NS-Beamte, denen in der neuen Bundesrepublik eine glänzende Karriere ermöglicht wurde.
Berüchtigt ist Globkes Kommentar zu den Nürnberger Rassegesetzen
Berüchtigt sind sein Kommentar zu den Nürnberger Rassegesetzen von 1935 und seine Mitwirkung am Namensänderungsgesetz von 1938, nach dem Juden ihren Vornamen zusätzlich ein "Israel" oder "Sara" hinzufügen mussten.
Als Vizepräsident des Landesrechnungshofes wurde Globke offenbar nur "zwischengeparkt", denn gleichzeitig begann er seinen Dienst im Bundeskanzleramt in Bonn, zu dessen Leiter er von Bundeskanzler Adenauer 1953 ernannt wurde. Diese Funktion hatte er bis zu Adenauers Abdankung 1963 inne. Vizepräsident des Landesrechnungshofes war Globke bis zum 31. Juli 1950.
Die 148 Seiten umfassende Studie stammt aus der Feder von Alexandra Hissen. Sie ist Historikerin und Mitarbeiterin des Landesrechnungshofes. In Auftrag gegeben wurde die Studie von der Präsidentin des Landesrechnungshofes, Brigitte Mandt.
Studien über die personelle Kontinuität in den Behörden zwischen der NS-Zeit und der Gründerzeit der Bundesrepublik Deutschland sind eher selten. Am bekanntesten ist die über das Außenministerium, die der damalige Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) 2005 in Auftrag gab.
Die meisten Beamten gehörten einer oder mehreren NS-Organisationen an
Alexandra Hissen hat sich vor allem mit den Biografien der Gründergeneration des 1948 gegründeten des Landesrechnungshofes (LRH) beschäftigt. Der Düsseldorfer LRH war aus einer Zweigstelle des Zonenrechnungshofes der britischen Besatzungszone in Hamburg hervorgegangen. Weitere Zweigstellen gab es in Hannover und Schleswig.
Fast alle Mitarbeiter des neuen LRH hatten eine berufliche Laufbahn im Dienst des NS-Staates durchlaufen, viele von ihnen beim Reichsrechnungshof in Potsdam. Der überwiegende Teil war nicht nur Mitglied der NSDAP gewesen, sondern gehörte zudem einer oder mehrerer NS-Organisationen an. Eine Minderheit hatte zudem ein Amt in der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen inne.
Bruchlos von der Diktatur in die Demokratie gewechselt
"Die politische Belastung der LRH-Beamten bewegte sich meist im Rahmen des systemkonformen Mitläufertums", so Alexandra Hissen in ihrer Studie. Im neuen LRH hätten keine "Weltanschauungs- und Exzesstäter" gearbeitet, sondern vor allem politische Opportunisten, die bruchlos von der Diktatur in den Dienst des neuen, nun demokratischen Staates gewechselt seien.
"Wir wollen uns mit dieser Studie der Vergangenheit stellen", sagt LRH-Präsidentin Mandt. Die Auseinandersetzung mit der Rolle der Staatsdiener im NS-Staat könne das Bewusstsein schärfen, dass der demokratische Verfassungsstaat keine Selbstverständlichkeit sei und dass es sich für seinen Erhalt immer wieder einzusetzen gelte.
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