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"Chernobyl" auf Sky: Bedrückendes Porträt menschlicher Überheblichkeit

Ein Tag im April 1986 verändert die Welt - und der Kommunismus ist zu stolz, die eigene Unfähigkeit und Schuld zu begreifen. Die Tragödie einer Generation fängt die Serie fesselnd ein

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Der Reaktor in Trümmern, die Katastrophe entfaltet sich: "Chernobyl" ist erzählerisch und visuell großartig. | © Sky/HBO

Der Reaktor in Trümmern, die Katastrophe entfaltet sich: "Chernobyl" ist erzählerisch und visuell großartig. | © Sky/HBO

24.05.2019 | 10.03.2020, 15:05

Es gibt Sätze, die teuer werden können. "Lass mich mal." Oder auch einfach: "Ups." Am 26. April 1986 war es ein anderer, der Europa und die Welt beinahe die Zukunft gekostet hätte: "Es ist unter Kontrolle." Gesagt haben ihn etliche hochrangige Sowjets, während unter ihren Füßen der Reaktorkern von Tschernobyl schmolz.

Valeri Legassow kämpft gegen den Reaktorunfall - und gegen die trägen Apparatschiks der Sowjetunion. - © Sky/HBO
Valeri Legassow kämpft gegen den Reaktorunfall - und gegen die trägen Apparatschiks der Sowjetunion. | © Sky/HBO

Die Koproduktion von HBO und Sky mit so hochkarätigen Schauspielern wie Stellan Skarsgaard, Jared Harris (Moriarty aus "Sherlock Holmes") und Emily Watson ("Die Entdeckung der Unendlichkeit") hält sich nicht lange zurück. Eine der größten Atomkatastrophen der Geschichte ist die Schuld von Menschen, die sich ihrer überlegenen Ideologie, dem Kommunismus, zu sicher waren und die ihre Niederlage gegen die Gesetze der Physik und Chemie erst nicht verstehen konnten und dann nicht anerkennen wollten. Ein Politiker sagt zu den Vermutungen über die austretende Strahlung: "Was wir nicht sehen, wissen wir nicht."

Wie es dazu kam, stellt die Miniserie in fünf einstündigen Folgen fesselnd dar. Aus heutiger Sicht scheint es immer noch unfassbar, dass Feuerwehrleute mit nichts als der Einsatzkleidung am Leib und dem Schlauch in der Hand einen brennenden Atomreaktor löschen sollten. Tschernobyl war, wie so oft in der Geschichte der Menschheit, eine schmerzhafte Lektion, die die Fehlbaren erst lernen mussten.

Wenn der Mensch sich zu sicher ist

Atomenergie galt damals als sicher und sauber, mehr als 34 Jahre später sind wir schlauer. Noch heute können Eltern berichten, wie ihre Kinder monatelang im Haus bleiben und sie selbst Milchpulver kaufen mussten, weil irgendwann klar war, wie weit sich der radioaktive Fallout über dem europäischen Festland und seiner Landwirtschaft ausgebreitet hatte.

Anatoli Djatlow (l.), Chefingenieur im AKW Tschernobyl, begreift das Ausmaß der Katastrophe zu spät. - © Sky/HBO
Anatoli Djatlow (l.), Chefingenieur im AKW Tschernobyl, begreift das Ausmaß der Katastrophe zu spät. | © Sky/HBO

Die Serie aber stellt die persönlichen Schicksale der Menschen in den Vordergrund, die am Unfallort unter Missachtung ihrer Gesundheit helfen mussten und als Dank innerhalb von Tagen an der Strahlenkrankheit verreckten. Wenn ihnen nicht bereits die Haut von den Knochen gebrannt war. Die Bilder sind teilweise drastisch - auch wenn mancher "Liquidator" etwas zu schnell an der Strahlung stirbt - und von einer Dringlichkeit geprägt, die wohl sagen soll: Lasst uns dieses Opfer nie vergessen. Damit gibt das Werk seine Interpretation schon ein wenig vor, ansonsten bleibt es aber meist nah an den Tatsachen.

Wir sind bei den Verantwortlichen um Anatoli Djatlow in der Reaktorsteuerung, als Block 4 bei einer schlampig gesicherten Simulation in die Luft fliegt. Im Nachbarort Pripyat, von wo aus die Einsatzkräfte zur unmöglichen Rettung eilen. Und bei den Entscheidungsträgern, als sie das Ausmaß der Katastrophe aus Unwissenheit falsch einschätzen oder aus politischen Gründen zu lange ignorieren, je nachdem, und damit je nach Schätzung zwischen vier- und sechzigtausend Menschen, viele davon Kinder, zum Tode verurteilen. Manche früher, andere später.

Den Machern gelingt letztlich ein eindringliches Porträt davon, was jederzeit wieder passieren kann, wenn der Mensch sich seiner Macht zu sicher ist.

"Chernobyl" läuft jeweils dienstags bei Sky Atlantic, die aktuelle Folge ist abrufbar bei Sky Go und Sky Q.