1. Nachrichten
  2. Umwelt
  3. Eichenprozessionsspinner und Co. - beschert uns das Klima mehr Insekten?

Eichenprozessionsspinner

Haarige Raupen, Zecken und Co. - diese Arten profitieren vom Klima

Der Eichenprozessionsspinner sorgt für viel Aufregung in Deutschland, auch in Ostwestfalen. Breitet sich das Insekt durch den Klimawandel aus? Und welche neuen Insektenarten wird uns dieser bescheren?

Kommentare
Eichenprozessionsspinner - die Brennhaare sind für Menschen gefährlich. | © picture alliance/dpa

Eichenprozessionsspinner - die Brennhaare sind für Menschen gefährlich. | © picture alliance/dpa

17.07.2019 | 17.07.2019, 15:29

Bielefeld. Eine giftige Raupe sorgt derzeit für Einsätze in ganz Deutschland und NRW: der Eichenprozessionsspinner. Nester des für Menschen gefährlichen Insekts wurden auch in Ostwestfalen entdeckt, unter anderem in Bielefeld sowie in den Kreisen Herford und Gütersloh. Selbst das NRW-Umweltministerium rät zu Vorsicht. Sorgt der Klimawandel für die Ausbreitung des Insekts? Und wird uns dieser künftig auch neue Arten bescheren?

Warum fallen die Nester des Eichenprozessionsspinners (EPS) jetzt so sehr auf?
Das hat mit der Entwicklung des Falters zu tun. Die Raupen schlüpfen zwischen Anfang April und Anfang Mai und durchlaufen in ihrer Entwicklung bis zu sechs Larvenstadien, informiert der Landesbetrieb Wald und Holz NRW. Im dritten Stadium bildet die Larve die für den Menschen so gefährlichen Brennhaare aus. Nach der Verpuppung ab Ende Juni schlüpfen im August die Falter.

Ist die Ausbreitung des EPS ein neues Phänomen?
Nein. "Den Eichenprozessionsspinner gab es in warmen Gebieten Deutschlands schon immer. Seit 25 Jahren breitet er sich verstärkt aus, so auch in NRW. Die milde Witterung der vergangenen Jahre begünstigte dies, da er ein wärmeliebendes Insekt ist", erklärt Gerlinde Nachtigall, Sprecherin des Julius Kühn-Instituts, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen. "Heute müssen wir davon ausgehen, dass der Eichenprozessionsspinner überall in Deutschland vorkommt."

Begünstigt der Klimawandel die Ausbreitung des EPS?
"Der Klimawandel begünstigt die Vermehrung des EPS eher nicht", sagt Thomas Steinlein von der Fakultät für Biologie an der Universität Bielefeld. "Zum Klimawandel gehören ja auch Extremwetter wie Hagel und Sturm, die dem EPS eher schaden. Was uns derzeit aber fehlt, sind niedrige Temperaturen und viel Niederschlag im Frühjahr und Sommer. Das mag der EPS nicht."

Gibt es Insektenarten, die sich wegen des Klimawandels in Deutschland ausbreiten werden?
"Der Klimawandel führt zur Ausbreitung neuer Arten in Deutschland", sagt Steinlein. Dazu gehöre zum Beispiel die Tigermücke, die aus dem Süden zu uns kommt. Sie könne Krankheiten wie zum Beispiel das Zika Virus übertragen. "Auch die Hyalomma-Zecke, eine Riesen-Zecke aus den Tropen, wird sich weiter ausbreiten", erklärt Steinlein. Die Körbchenmuschel sei ebenfalls eine eingeschleppte Art. Sie breite sich vor allem in Bächen aus, weil es auch da jetzt wärmer ist. "Das könnte lokal ein Problem werden, wenn sie heimische Arten verdrängt."

Die Asiatische Tigermücke Männchen (l.), Weibchen (r.). - © picture alliance / Patrick Pleul
Die Asiatische Tigermücke Männchen (l.), Weibchen (r.). | © picture alliance / Patrick Pleul

Werden sich auch neue Pflanzenarten ausbreiten?
"Eine gefährliche Pflanze, die sich seit längerem in Deutschland ausbreitet, ist die Ambrosie. Ihre Pollen sind hochallergisch", sagt Steinlein. "Sie wurde wahrscheinlich durch verunreinigtes Vogelfutter eingeschleppt und nutzt das wärmere Klima hier aus." Diese Pflanze werde wohl nicht wieder verschwinden. Paulownien stammen aus Ostasien und werden hier gerne als Zierbäume verwendet. Sie dürfte den Sprung über den Gartenzaun schaffen und sich ausbreiten, weil hier die Fröste immer weniger werden, sagt der Wissenschaftler.

Welche Folgen kann das haben?
Die Arten aus dem Süden haben höhere Anpassungsmöglichkeiten und können deshalb bei uns überleben, erklärt Steinlein. "Ob sie dauerhaft bleiben, weiß man im Vorfeld nicht." Man könne auch nichts dagegen tun. "Wir sind Teil einer sich verändernden Umwelt. In Deutschland gibt es noch ökologische Nischen, in denen Platz für fremde Arten ist. Die Frage wird sein, ob neue Arten heimische Arten verdrängen."

Warum ist der Eichenprozessionsspinner so gefährlich?
Die große gesundheitliche Gefahr geht von den Brennhaaren der älteren Larven aus, informiert das Julius Kühn-Institut. Die mit Widerhaken versehenen Haare enthalten das Nesselgift Thaumetopoein. Eine Berührung kann allergische Reaktionen auslösen, zum Beispiel Juckreiz und Hautentzündungen. Einatmen der Haare kann Atembeschwerden verursachen. Auch Allergiesymptome wie Schwindel oder Fieber sind möglich. "Der Kontakt mit den Raupen und den Gespinstnestern, welche die Raupen zum Zwecke der Verpuppung errichten, ist unbedingt zu meiden", erklärt Dr. Edmund Heller, Staatssekretär im Arbeits- und Gesundheitsministerium.

Was ist zu tun, wenn man mit den Brennhaaren des EPS in Kontakt kommt?
Wer doch mit den Brennhaaren in Kontakt kommt, sollte sie mit einem Klebeband von der Haut entfernen. Den Grund erklärt der Landesbetrieb Wald und Holz: Die Spitzen der Brennhaare bohren sich in die Haut und brechen ab, wenn man zum Beispiel daran kratzt. An der Bruchstelle wird das Gift freigesetzt. Außerdem sollten Betroffene nach Kontakt duschen und die Haare waschen, rät das NRW-Gesundheitsministerium. Gelangen Brennhaare in die Augen, sollten sie mit Wasser ausgespült werden. Bei stärkeren Reaktionen sollten Betroffene einen Arzt aufsuchen.

Wie bekämpft man den EPS?
"Es ist schwierig, ihn zu bekämpfen. In dieser Jahreszeit hilft nur das Absaugen, das teuer und aufwendig ist. Im Frühjahr können die ersten beiden Larvenstadien in Kommunen mit biologischen Mitteln bekämpft werden, wenn die Witterungsbedingungen stimmen", sagt Nachtigall. Derzeit seien hier zwei Mittel zugelassen, um gesundheitliche Schäden durch die Raupenhaare zu vermeiden.

Wird die Population des EPS weiter zunehmen?
Manche Insekten vermehren sich ab und an extrem stark, sagt Nachtigall. So auch der EPS. "Oft bricht die Population durch natürliche Feinde nach einigen Jahren dann wieder zusammen. Anzeichen dafür sehen wir beim Eichenprozessionsspinner derzeit bisher nicht."