Polizei schaut genau hin: Überraschung nach Auffahrunfall in Bielefeld

Bielefeld. Was für eine Überraschung: Ein 28-jähriger Autofahrer bekam jetzt vor Gericht vollumfänglich recht, obwohl er mit seinem Fahrzeug auf den Vordermann aufgefahren war. Dabei gelten Merksätze wie &bdquo;Wer drauf fährt, hat immer Schuld" oder &bdquo;Wenn es hinten scheppert, gibt es vorne Geld" als quasi eherne Regel. Ein Mythos. Plötzlich kracht es auf der Cheruskerstraße Der 28-jährige Autofahrer brachte am 14. Mai gegen 21.30 Uhr einen Freund nach Hause, als es auf der Cheruskerstraße plötzlich krachte. Vor ihm war direkt nach Beginn der Bahnunterführung ein Wagen zum Stehen gekommen. War er zu schnell? Der Abstand zu gering? Das sind meistens die Interpretationen der Polizei. Doch in diesem Fall reagierten die Beamten sehr schnell auf die Aussagen des anderen Verkehrsteilnehmers, der vorne gebremst hatte. Auf der Straße waren gut sichtbare Bremsspuren zu erkennen, doch der Fahrer sprach vom Runterbremsen in der Kurve, weil er ins Driften geraten sein will. Aussage gegen Aussage: Vollbremsung oder zu dicht aufgefahren? Story und Unfallspuren passten einfach nicht zusammen. Rechtsanwalt Siegfried Kammel, der im späteren Rechtsstreit den 28-Jährigen vertrat, betont: &bdquo;Mein Mandant hatte hier großes Glück. Denn die Polizei hat die Unstimmigkeiten sehr schnell erkannt und die gut sichtbaren Spuren mit dem Fotoapparat dokumentiert." Wäre die Unfallaufnahme nach Schema-F verlaufen, was bei Zusammenstößen ohne Verletzte eher die Regel ist, hätte sein Mandant eine sehr hohe Rechnung zu bezahlen gehabt. Beide Fahrzeuge waren schwer beschädigt. Der 28-Jährige und sein Beifahrer waren sich sicher, dass der Vordermann grundlos eine Vollbremsung durchgeführt hatte. Der Unfallgegner sagte, dass der 28-Jährige zu dicht aufgefahren wäre. Als er bremsen musste, habe der Hintermann nicht mehr rechtzeitig stoppen können. Deshalb meldeten beide Seiten Schadenersatzansprüche an. Gutachten entlarvt die Lüge Doch die Polizeiermittlungen hatten inzwischen so viele Zweifel aufgebracht, dass die Staatsanwaltschaft gegen den Bremser wegen &bdquo;gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr" ermittelte. Ein eigens beauftragtes Sachverständigengutachten entlarvte dann die Lügengeschichte des Vordermanns endgültig: Der Gutachter kam zu dem Schluss, dass er &bdquo;plötzlich und grundlos eine Vollbremsung bis zum Stillstand durchgeführt hat", erklärt Anwalt Kammel. Demnach passten die Bremsspuren exakt zu den Spurweiten der Fahrzeuge, die Schäden an den Fahrzeugen passten exakt zu dem Vollbremsungsszenario und die Kurve war auch nicht der Grund für das Bremsmanöver. &bdquo;All das wäre ohne die Unfallfotos nicht zu beweisen gewesen", sagt Kammel. Selbst wenn einer drängelt, darf man ihn nicht maßregeln Trotzdem hatte der 28-Jährige vor dem Unfall auch nicht ausreichend Abstand eingehalten. Zu diesem Ergebnis kamen Gutachter und Richter später genauso. Der Vordermann berichtete, dass der 28-Jährige immer wieder dicht aufgefahren sei. Offenbar habe er immer wieder gebremst, um den Hintermann zu maßregeln, hieß es vom Richter. Im Zivilverfahren entschied dieser, dass der zu geringe Abstand (&bdquo;Mitverursachungsbeitrag") hinter dem groben Verstoß des Vollbremsers zurücktritt. Selbst wenn der 28-Jährige gedrängelt habe, sei eine Vollbremsung keine angemessene Reaktion. Muss ich nicht immer mit einer Vollbremsung rechnen? Das heißt, dass der 28-Jährige keinerlei Mitschuld bekam - nicht einmal eine Teilschuld. Der Vollbremser, der weder zum Straf- noch zum Zivilverfahren erschienen war, war inzwischen untergetaucht. Den Schaden von 4.551 Euro muss jetzt die Versicherung des Verursachers tragen, sagt Kammel. Muss man denn als Hinterherfahrender denn nicht damit rechnen, dass der Vordermann eine Vollbremsung macht? Rechtsanwalt Siegfried Kammel betont: &bdquo;Grundsätzlich muss der Nachfolger so viel Abstand halten, dass ihm noch eine Bremsung gelingt. Diese Regel greife aber nicht mehr, wenn jemand ohne erkennbaren Grund so scharf bremst. So viel Platz haben wir im Stadtverkehr gar nicht, wenn wir das auch noch bedenken müssten." Immer Beweisfotos machen, bevor man das Auto wegfährt Ein so gefährliches Bremsmanöver muss gut begründet sein, heißt es vom Deutschen Anwaltverein. Wer beispielsweise für kleinere Tiere in die Eisen steige, kann damit rechnen, die Schuld ganz oder teilweise zugesprochen zu bekommen. Anders sehe das bei einem großen Rehbock aus. Kammel betont: &bdquo;Und man muss beweisen können, dass die Schuld bei anderen liegt." Deshalb lautet der wichtigste Rat des Anwalts: &bdquo;Machen Sie immer Beweisfotos von der Unfallkonstellation. Erst danach sollten sie die Fahrzeuge wegfahren." Was viele Autofahrer nicht wüssten, wenn sie keine Kamera dabeihaben: &bdquo;Im Verbandskasten steckt eine Kreide. Mit der kann man die Positionen der Unfallbeteiligten kennzeichnen." Lesen Sie auch:Beliebter Bielefelder Rastplatz komplett verwüstet Schüsse von Balkon: Menschen in Bielefeld in Panik Bielefelder Politiker überraschend gestorben Hier wird ein Bielefelder Jugendzentrum platt gemacht Bielefeld verpfuscht Straße - und kassiert dann mit Blitzer ab

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