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Disney greift Netflix und Amazon an

Die beliebtesten Filme und Serien verteilen sich auf mehr konkurrierende Streaming-Angebote

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Der von Disney finanzierte Superheldinnen-Film „Captain Marvel" ist nicht mehr auf Netflix zu sehen. | © AP Photo

Der von Disney finanzierte Superheldinnen-Film „Captain Marvel" ist nicht mehr auf Netflix zu sehen. | © AP Photo

16.08.2019 | 16.08.2019, 20:00

Berlin. Wie viel Streaming-Dienste braucht der Mensch? In Deutschland kämpfen neben Netflix, Amazon und Google auch einheimische Alternativen wie Sky, Magenta oder Joyn um Kunden. Jetzt kommen weitere starke Konkurrenten hinzu. Das macht den Markt unübersichtlicher: Die Inhalte verteilen sich auf immer mehr verschiedene Portale. Der Einstieg des Unterhaltungsgiganten Disney dürfte den Markt erneut verändern. Es beginne ein „Kampf um die Kunden für Abrufvideos", schreibt die Analystin Laura Martin.

Für die Kunden ergibt sich ein gemischtes Bild. Einerseits nützt ihnen der Preiskampf der Dienste. Andererseits steigt die Gefahr, dass ausgerechnet die nächste Lieblingsserie auf einem Portal läuft, zu dem man noch keinen Zugang hat. Wer deshalb ein Abo nach dem anderen abschließt, gibt so am Ende mehr aus, als er wollte.

Dabei ist die Zahlungsbereitschaft der Kunden eng begrenzt. Die Agentur nextMedia.Hamburg hat in einer Umfrage herausgefunden, dass kaum einer in Deutschland über 15 Euro pro Monat für Streaming-Dienste ausgeben will.

Allein Netflix kostet ab diesem August in Deutschland acht Euro im Monat für normale und zwölf Euro für gute Bildqualität. Amazon Prime kostet sechs Euro im Monat, doch in dem Preis sind viele Filme nicht enthalten, sie kosten extra. Magenta TV verlangt von Telekom-Kunden knapp fünf Euro im Monat. Disney hat für Deutschland noch keinen Preis bekanntgegeben, doch die Kosten dürften um sieben Euro im Monat liegen.

"Captain Marvel" ist das erste Opfer

Das deutsche Angebot Joyn ist dagegen noch bis zum Winter kostenlos – doch es ist in vielen Punkten auch noch mit dem klassischen Fernsehen verwandt. Ungewohnt für die Generation Netflix: Folgen sind nur in begrenzten Zeitfenstern abrufbar, bevor sie wieder verschwinden. Man kann also nicht bei der ersten Folge einer alten Serie anfangen. So ist von dem japanischen Zeichentrickabenteuer „One Piece" derzeit nur die Folgen 675 bis 678 aus der elften Staffel abrufbar – und die sind für Neueinsteiger komplett unverständlich. Joyn ist erst in diesem Sommer durch Verschmelzung verschiedener Online-Angebote von ProSiebenSat.1 entstanden.

Das Beispiel Joyn zeigt: Wer keine guten Langfristverträge mit den Studios hat, sondern nur Senderechte einkauft, hat einen Nachteil. Gerade die jüngere Generation erwartet alle Inhalte jederzeit. Konkurrent Sky leidet ebenfalls darunter, dass immer wieder Lizenzen auslaufen und damit Teile des Angebots offline gehen.

Bisher waren die Verbraucher mit Netflix allein sehr gut bedient. Doch schon jetzt verschwinden erste Disney-Inhalte als Vorbereitung auf den Start des eigenen Dienstes. Der von Disney finanzierte Superheldinnen-Film „Captain Marvel" etwa war nicht mehr auf Netflix zu sehen – als erster seiner Art. Für Disney sieht der Einstieg ins Streaming-Geschäft damit auf den ersten Blick nicht wie ein geschickter Zug aus. Bisher hat der Konzern mühelos Geld damit verdient, seine Inhalte an Netflix zu lizenzieren.

Der Strategiewechsel wird teuer für Netflix

Jetzt muss das Unternehmen erst einmal Milliardenbeträge in die Hand nehmen, um sich in den Markt zu drängeln. „Wer einen Dienst für Endverbraucher neu anbietet, kann sich zunächst auf gewaltige Verluste gefasst machen", sagt Analyst Rich Grennfield von dem Finanzdienstleister BTIG dem Wirtschaftsdienst Bloomberg. In den ersten zwei Jahren wird Disney der Strategiewechsel rund zwei Milliarden Dollar kosten.

Für die sieben Dollar im Monat wird es dort eine Menge zu sehen geben. Zu Disney gehören neben den endlosen Reihen von Superhelden aus dem Marvel-Universum auch Reihen Star Wars oder Pirates of the Caribbean. Bei Kindern beliebt sind Nemo, Cars oder die Eiskönigin. Das Unternehmen nutzt seine existierenden Rechte auch für ständige Neuauflagen der gleichen Stoffe. Die Schöne und das Biest, der König der Löwen, Aladdin oder das Dschungelbuch werden in ihren immer neuen Erscheinungsformen wiedergeboren.

Im Konzern ist die Erkenntnis gereift, dass an diesen beliebten Filmen und Serien keine Zwischenhändler mitverdienen müssen – sondern dass er die Einnahmen auch selbst behalten kann. Als einer der Weltmeister im Aufbau von Marken und der Verführung von Konsumenten traut Disney sich nun den Kampf gegen Netflix und Amazon zu.