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Paderborn

Prostitution: Aussteigerin fordert Sexkaufverbot

Die Legalisierung hat Sexarbeiterinnen weder soziale Absicherung noch Entkriminalisierung gebracht. Eine Aussteigerin fordert ein Sexkaufverbot. Viele andere Frauen auch

Eine Frau im Eingangsbereichs eines Bordells: Seit Mitte 2017 gilt in Deutschland das Prostituiertenschutzgesetz, das unter anderem Anmeldungen, Gesundheitsberatungen und eine Kondompflicht vorschreibt. | © dpa/Andreas Arnold

Eine Frau im Eingangsbereichs eines Bordells: Seit Mitte 2017 gilt in Deutschland das Prostituiertenschutzgesetz, das unter anderem Anmeldungen, Gesundheitsberatungen und eine Kondompflicht vorschreibt. | © dpa/Andreas Arnold

17.02.2018 | 17.02.2018, 13:41

Paderborn. Käuflicher Sex ist in Deutschland legal, der Bordellbesuch salonfähig. Doch welche gesellschaftlichen Auswirkungen hat das? Verbesserte die Legalisierung der Prostitution die Situation der Sexarbeiterinnen? Gibt es andere Wege als den deutschen? Und passt Prostitution in eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleichberechtigt leben (wollen)?

"Prostitution ist Gewalt gegen Frauen. Sie ist menschenverachtend, entwürdigt und erniedrigt Frauen", betonte die Münchener Sozialwissenschaftlerin Anita Heiliger am Freitag in der Universität. "Prostitution ist ein Symptom der Männergesellschaft und stützt das Patriarchat", sagte Heiliger. Unter dem Titel "Frauen, das käufliche Geschlecht" hatte der Arbeitskreis "Frauenrechte sind Menschenrechte" das Thema Prostitution aus dem Rotlicht ans Tageslicht geholt. Das hat Seltenheitswert - nicht nur in Paderborn.

Die Freiwilligkeit wird maßlos überschätzt

Manfred Paulus: "Ein Umdenken ist nötig." - © Sabine Kauke
Manfred Paulus: "Ein Umdenken ist nötig." | © Sabine Kauke

"Freiwillige Prostitution ist ein Mythos". Huschke Mau, die eigentlich anders heißt, weiß, wovon sie spricht: Sie ist nach zehn Jahren Sexarbeit ausgestiegen, was einer Studie zur Folge 89 Prozent aller Prostituierten gern tun würden. Seither engagiert sie sich für ein Sexkaufverbot. "Beim Einstieg war ich in einer ökonomischen Notlage. Es hätte sicher andere Optionen für mich gegeben, aber ich konnte das damals nicht erkennen", berichtet Huschke Mau, die sich auch von Behörden im Stich gelassen fühlte. Beim Weg ins Milieu hatte ihr ausgerechnet ein Polizist geholfen und wie viele andere Sexarbeiterinnen hatte sie zuvor "heftige Gewalt" erfahren, auch sexuelle Gewalt. "Prostitution ist keine Arbeit und schon gar kein Sex, sondern Missbrauch und Gewalt. Es ist Frauenkauf", sagt Huschke Mau. Um Ekel und Schmerz nicht zu fühlen sei die Fähigkeit zur Dissoziation, das Bewusstsein abzuspalten, überlebenswichtig. "Man gibt sich einen anderen Namen, zieht sich um, steigt aus seinem Körper aus und schlüpft in eine Rolle. Aber auf Dauer macht das seelisch krank." 68 Prozent der Frauen litten unter posttraumatischen Belastungsstörungen.

Anita Heiliger: "Prostitution ist menschenverachtend. ". - © Sabine Kauke
Anita Heiliger: "Prostitution ist menschenverachtend. ". | © Sabine Kauke

Die Legalisierung der Prostitution habe den Frauen weder soziale Absicherung gebracht, noch die Entkriminalisierung oder mehr Sicherheit. "Sie hat auch das Stigma nicht aufgehoben", sagt Huschke Mau: "Aber Legalisierung macht den Missbrauch legal. Sie hilft nur Zuhältern und Freiern." Und sie führe dazu, dass der Menschenhandel zunimmt.

Manfred Paulus, pensionierter Kriminalhauptkommissar mit langjähriger Erfahrung in Rotlichtkriminalität, Frauen- und Kinderhandel, berichtet, dass Frauen "aus dem letzten rumänischen Dorf direkt in den deutschen Puff" gebracht werden. In manchen Milieus stammten 90 bis 100 Prozent der Frauen aus Südosteuropa, viele von ihnen seien nicht freiwillig hier. "Es ist ein Skandal, dass man bei den Frauen von Prostituierten spricht, das sind zu 80 Prozent Opfer. Und sie werden gnadenlos im Stich gelassen", sagt Paulus. Die Freiwilligkeit werde "maßlos überschätzt". Lange habe er gedacht, dass es nicht darum gehe, die Prostitution zu bekämpfen, sagt der Kriminalhauptkommissar. "Aber wir müssen zu einem Umdenken kommen und die Probleme benennen", fordert Paulus den Schritt hin zum "Nordischen Modell", für das sich auch Huschke Mau einsetzt.

Dieses Modell, das der Schwede Patrik Cederlöf in Paderborn vorstellte, bedeutet ein Sexkaufverbot. Es hat seinen Ursprung in Schweden und greift dort seit 1999. Weil es Prostitution als Menschenrechtsverletzung und als eine Form von Gewalt gegen Frauen versteht, sind Sexkauf und die Förderung von Prostitution strafbar. Freier werden kriminalisiert und bestraft: einkommensabhängige Geldbußen sind fällig, Gefängnisstrafen bis zu einem Jahr möglich. Die Opfer von Prostitution hingegen bleiben straffrei, Aussteigerinnen werden unterstützt. Seit 1999 habe sich die Straßenprostitution halbiert. "Sexkauf wird geächtet, das ist die wichtige gesellschaftliche Signalwirkung", so Cederlöf. "Anfangs waren 30 Prozent der Schweden für das Modell, heute sind es 70 bis 80 Prozent", betont die Autonome Feministin Anita Heiliger.

Auch Island und Norwegen haben sich für das Nordische Modell entschieden. In Dänemark hingegen ist Sexarbeit erlaubt, ebenso in Österreich, der Schweiz und Holland.

Information


400.000 Frauen in der Prostitution

  • Schätzungen zur Folge leben in Deutschland etwa 400.000 Frauen, die in der Prostitution tätig sind.
  • In Ostwestfalen-Lippe arbeiten etwa 2.200 Frauen in der Prostitution, viele von ihnen stammen aus Bulgarien und Rumänien.
  • In manchen Milieus, sagt der pensionierte Kriminalhauptkommissar Manfred Paulus, Lehrbeauftragter und Fachautor, kommen 90 bis 100 Prozent der Frauen aus Südosteuropa. „Sie werden in Kleinbussen her gekarrt".