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Paderborn

Tierquälerei-Vorwürfe gegen Westfleisch-Zulieferer teilweise bestätigt

Schweinemast: Der Kreis Paderborn bittet die Justiz um Prüfung der Videos des Tierschutzvereins „Tierretter“. Gegen einen der sechs Westfleisch-Zulieferbetrieben läuft bereits ein Ordnungswidrigkeitsverfahren

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Die Veterinäre, die die von "Tierretter" beschuldigten Betriebe geprüft haben, konnten die Vergehen nur teilweise bestätigen. | © tierretter.de

Die Veterinäre, die die von "Tierretter" beschuldigten Betriebe geprüft haben, konnten die Vergehen nur teilweise bestätigen. | © tierretter.de

19.10.2017 | 19.10.2017, 09:44

Paderborn. Die Vorwürfe des Tierschutzvereins „Tierretter" gegen sechs Zulieferbetriebe von Westfleisch in NRW und Hessen haben sich nur teilweise bestätigt. Die Veterinärämter der fünf betroffenen Kreise sind den Hinweisen nachgegangen und haben Mängel festgestellt, jedoch keine strafrechtlich relevanten Verstöße gegen das Tierschutzgesetz. Deshalb sieht Westfleisch auch keinen Anlass, die Lieferbeziehungen zu beenden.

In sechs Schweinemastbetrieben in den Kreisen Paderborn, Höxter und Minden-Lübbecke sowie in den Kreisen Warendorf (Münsterland) und Waldeck-Frankenberg (Nordhessen) soll es nach Angaben des Vereins „Tierretter" aus Münster massive tierschutzrechtliche Verstöße geben. Der Verein dokumentiert auf Fotos und Videos sterbende Schweine und Ferkel, schwere Verletzungen, Missbildungen, überfüllte Krankenbuchten, Überschreitungen der Ammoniak-Grenzwerte und fehlende Trinkwasserversorgungen. Die illegalen Aufnahmen sind in den Monaten August und September entstanden, weitergegeben hat der Verein die Hinweise an die Veterinärämter jedoch erst am Dienstag.

Im Kreis Paderborn hat das Veterinäramt am Tag der Anzeige zwei Betriebe überprüft. Die Veterinäre haben nach Angaben von Sprecherin Michaela Pitz dabei aber keine gravierenden tierschutzrechtlichen Verstöße festgestellt. „Gleichwohl werden wir das Videomaterial an die Staatsanwaltschaft weiterleiten, mit der Bitte um Prüfung, ob sich strafrechtliche Anhaltspunkte ergeben." Zudem werden beide Betriebe in der Risikobetrachtung höher eingestuft und häufiger kontrolliert.

Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen einen Betrieb im Kreis Warendorf

Im Kreis Warendorf hat das Veterinäramt den angezeigten Betrieb, in dem 2.000 Schweine gehalten werden, ebenfalls am Dienstag überprüft. „Unabhängig davon, auf welche fragwürdige Art das Bildmaterial beschafft worden ist, müssen wir Hinweisen nachgehen. Möglicherweise auch wegen der starken zeitlichen Verzögerung, mit der die Anzeige bei uns eingegangen ist, konnten wir die meisten Vorwürfe bei der Kontrolle vor Ort nicht mehr feststellen", erklärt Veterinäramtsleiter Andreas Witte. „Allerdings waren die Tränken teilweise nicht in Betrieb. Hinweise auf eine Straftat nach dem Tierschutzgesetz haben wir jedoch nicht gefunden." Gegen den Betrieb wird aber ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet.

Die Vorwürfe gegen einen weiteren Landwirt im Kreis Höxter lassen sich nach Angaben von der Sprecherin der Kreisverwaltung, Silja Polzin, nur in Teilbereichen bestätigen. „Auch aktuell wurden im Bestand Schweine mit Bindehautentzündungen vorgefunden. Sofern erforderlich, werden erkrankte Tiere behandelt. In diesem Zusammenhang soll demnächst eine erneute Untersuchung des Stallklimas erfolgen."

Der Kreis Waldeck-Frankenberg ist den Hinweisen erst gestern nachgegangen. Nach Angaben von Sprecher Hartmut Wecker gab es bei der Überprüfung keine Beanstandungen. Laut Veterinäramt hat sich der Landwirt der Initiative Tierwohl angeschlossen und damit freiwillig zusätzliche Aspekte des Tierschutzes beachtet, wie zum Beispiel mehre Raum pro Tier sowie Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten. „Die Vorgaben wurden eingehalten", erklärt Wecker. Zudem habe sich der Landwirt gestern persönlich beim Veterinäramt gemeldet und um eine Überprüfung gebeten.

Keine Angaben zu den Ergebnissen der Prüfung aus Minden-Lübbecke

Der Kreis Minden-Lübbecke verweigert eine Stellungnahme zu den Ergebnissen der Stallüberprüfung und beruft sich dabei auf den Datenschutz, obwohl die Namen der angezeigten Landwirte nicht genannt werden. Sprecherin Sabine Ohnesorge erklärt lediglich, dass ordnungsrechtliche Schritte geprüft werden. Auf Anfrage heißt es aus dem betroffenen Betrieb, dass das Veterinäramt keine Verstöße gegen das Tierschutzgesetz festgestellt hat.

Dem Fleischkonzern Westfleisch liegen nach eigenen Angaben die Berichte der Veterinärämter vor. „Auch die Lebendvieh-Annahme in unseren Betrieben wird permanent durch Amtsveterinäre überwacht. Tiere, wie die in dem vom Verein Tierretter gezeigten Zustand, werden definitiv nicht zur Schlachtung angenommen", erklärt ein Unternehmenssprecher.

Der Verein „Tierretter" übt indes weiter Kritik an Westfleisch und seinen Zulieferbetrieben. „Nicht alles, was wir dokumentiert haben, ist illegal. Die Aufnahmen belegen aber, dass in der Schweinemast tierquälerische Minimalanforderungen gelten", erklärt Vorstandsmitglied Christian Adam. Angst vor einer Strafverfolgung aufgrund der Einbrüche in mehrere Ställe haben die Vereinsmitglieder nicht, ergänzt Adam und verweist auf ein Urteil des Landgerichts Magdeburg aus der vergangenen Woche. Drei Tierschützer, die in einen Schweinestall eingedrungen sind und Missstände gefilmt haben, bleiben straffrei. Das Landgericht bestätigte ein Urteil des Amtsgerichts Haldensleben. „Sie haben genau das getan, was nötig war und was als mildestes Mittel zur Verfügung stand", sagte der Vorsitzende Richter.

Information
Einbruch

Auch in den Schweinestall des Kreislandwirts aus Minden-Lübbecke, Rainer Meyer, ist eingebrochen worden. Da in dem Betrieb nichts gestohlen wurde, hat Meyer Tierschützer in Verdacht. Aufnahmen wurden aber nicht veröffentlicht. Zudem hat Landwirt Stefan Schmidt, der sich um die Tiere in dem Stall kümmert, Drohbriefe erhalten.