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Vorwurf einer Mutter: Bielefelder Disko animiert zum Koma-Saufen

Der 18-Jährige Julian landet nach einer Feier mit Schädel-Hirn-Trauma, Gehirnerschütterung und 1,8 Promille im Krankenhaus. Seine Mutter macht dafür auch die Disko verantwortlich.

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Für 20 Euro kann hier viel getrunken werden. | © Mike-Dennis Müller / www.mdm.photo

Für 20 Euro kann hier viel getrunken werden. | © Mike-Dennis Müller / www.mdm.photo

19.03.2019 | 20.03.2019, 13:03

Bielefeld. Samstagmorgen etwa zehn Uhr: Katrin T. (Name geändert) aus Sennestadt sitzt mit ihren beiden Söhnen im Krankenhaus. Der 18-Jährige, blutverschmiert, dehydriert und „wirr", der 20-Jährige „mit Pipi in den Augen", wie sich die Mutter erinnert: „Er hatte richtig Angst um seinen kleinen Bruder – wir beide haben uns Sorgen gemacht."

Ärzte untersuchen den 18-Jährigen. Das ernüchternde Ergebnis eines feucht-fröhlichen Freitagabends: Schädel-Hirn-Trauma, Gehirnerschütterung, Nasenprellung und ein aktueller Blutalkoholwert von 1,8 Promille. „Da kann man sich vorstellen, was er um sechs Uhr morgens noch für Promille hatte", sagt die Mutter heute kopfschüttelnd.

Untersuchung beim Arzt

Natürlich sei ihr Sohn selbst für seinen Alkoholkonsum verantwortlich, gibt die 46-Jährige zu, schließlich sei er volljährig. Dennoch kritisiert sie auch das Etablissement, in dem der Spross sich derart betrunken hat. Dieses animiere durch Angebote und Werbung zum Koma-Saufen, findet sie.

T.s Sohn Julian (Name ebenfalls geändert) hatte Freitagnacht mit zwei Freunden in der Diskothek Prime in Brackwede gefeiert.

Wodka für 20 Euro

Dort sei er schon ein paar Mal gewesen. Sie habe zuvor nicht viel über das Prime gewusst. Erst jetzt habe Julian berichtet, dass, wer 20 Euro Eintritt zahle, für 50 Euro trinken dürfe. Außerdem gebe es die Flasche Wodka samstags für 20 Euro im Angebot. Mischgetränke, wie zum Beispiel Cola, seien in der Flasche aber genau so teuer. „Das ist für mich Animation zum Koma-Saufen", sagt T. Denn sparen würden die jungen Erwachsenen natürlich bei den Softdrinks.

Auf der Facebook-Seite der Diskothek ist Rechtsanwalt Knut Recksiek als Geschäftsführer Prime eingetragen. Mit dem „Nachtgeschäft" habe er aber nichts zu tun, erklärt er, verweist auf die Prokuristin. Irina Kirsch ist Betriebsleiterin und bestätigt, dass Erwachsene für 20 Euro Eintritt Getränke im Wert von 50 Euro verzehren könnten. Samstags sei die Wodka-Flasche der Marke Smirnoff zudem für 20 Euro im Angebot. „Wenn man in den Supermarkt geht, gibt es die Flasche für acht Euro", meint Kirsch und fragt: „Animiert der Supermarkt zum Koma-Saufen?"

Die Cola zum Mischen koste laut Kirsch jedoch nicht ebenfalls 20 Euro, sondern zehn. Die Kritik, dass die Flasche Cola im Verhältnis zum Wodka viel teurer sei, kann sie nicht teilen. Zehn Euro seien ein üblicher Preis. Außerdem biete das Prime zum Beispiel gratis Zitronen zu den Drinks. Fazit: „Es wird niemand animiert oder gezwungen." Zudem sei ja davon auszugehen, dass Über-18-Jährige nicht über ihre Grenzen tränken.

Kurz bewusstlos

„Natürlich sind die in dem Alter, in dem sie glauben, Wunder wie erwachsen sie sind", sagt Katrin T. über Sohn und Altersgenossen: „Natürlich feiern die, natürlich glühen die vor." Julian war mit zwei Freunden im Prime. Als sie gegen halb sechs am Morgen die Disko verließen, verloren die Freunde Julian aus den Augen. Dieser sei über einen Zaun geklettert und dabei „ungebremst aufs Gesicht gestürzt", berichtet seine Mutter: „Ich glaube, dass er auch kurz bewusstlos war."

Als Julian sich wieder aufrappelte, sei er der Meinung gewesen, in einer anderen Stadt zu sein. Nach einer Odyssee von etwa 90 Minuten durch das kalte, frühmorgendliche Brackwede ging Julian in einen Baumarkt. Eine Mitarbeiterin ließ den verwirrten jungen Mann nicht wieder gehen und rief seine Mutter an.
Um halb acht klingelte das Festnetztelefon bei Familie T. und weckte die 46-Jährige.

Dass ihr Sohn nicht da war, hatte sie noch nicht bemerkt. Gemeinsam mit dem älteren Sohn holte sie Julian vom Baumarkt ab. Danach ging es ins Krankenhaus. Julian war sehr betrunken und kam ihnen „psychotisch" vor. Der junge Mann hatte zwar ordentlich Alkohol getankt, aber laut Bluttest keine Drogen genommen.

Firmenpolitik verwerflich

Heute geht es Julian wieder besser – allerdings habe er immer noch Gedächtnislücken. „Das Szenario ist ja noch gut ausgegangen", sagt seine Mutter. Mit Julian werde sie aber noch einmal sprechen: „Ich hoffe, dass er gelernt hat, dass das seine Grenze ist."

Die Firmenpolitik des Prime finde sie jedoch weiterhin verwerflich: „Da geht es doch auch um Werte – wozu werden die Jugendlichen da gebracht?"


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