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Wie eine Frau aus dem Kreis Höxter ihren Müll halbiert hat

Patricia Struck aus Kollerbeck hat das Abfall-Fasten in ihren Alltag integriert

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Geht jetzt anderes einkaufen: Patricia Struck mit Produkten, die in ihrem Alltag helfen, Müllmengen zu vermeiden. | © Simone Flörke

Geht jetzt anderes einkaufen: Patricia Struck mit Produkten, die in ihrem Alltag helfen, Müllmengen zu vermeiden. | © Simone Flörke

21.04.2019 | 21.04.2019, 18:12

Marienmünster-Kollerbeck. Die einen verzichten in der Fastenzeit auf Alkohol, die anderen auf Süßigkeiten: Patricia Struck aus Kollerbeck verzichtet auf Müll – und das nicht nur während der 40 Tage vor Ostern, sondern das ganze Jahr über: Die 40-jährige zweifache Mutter hat seit eineinhalb Jahren das Müll-Fasten in ihren Alltag integriert. Und dabei die Müllmenge der gesamten Familie – neben ihr und ihrem Ehemann noch die beiden Kinder (8 und 12 Jahre) und die Schwiegereltern – nahezu halbiert.

Statt bislang fünf Gelben Säcken sind es nun umgerechnet etwa zwei bis drei, die vom Volumen her mühelos in die neue Wertstofftonne mit dem gelben Deckel passen, erzählt sie. „Wir hätten da noch Platz", antwortet sie auf Klagen von Bürgern über zu kleine Tonnen.

»Ich stelle mir die Frage: Brauche ich das überhaupt?«

Zwei weitere Aspekte sind ihr wichtig: Die Familie macht mit. „Und ich gehe viel bewusster und ganz anders einkaufen. Dabei verbringe ich zwar mehr Zeit im Laden und gucke intensiver in die Regale. Dafür schleppe ich nicht mehr so viel Zeug nach Hause, weil ich mir öfter die Frage stelle: Brauche ich das überhaupt?" Dabei sind Kreativität und Experimentierfreude – was geht, wie geht es – gefragt, erklärt sie mit einem Schmunzeln.

„Ich habe einfach angefangen." Manchmal – wie bei der Milch direkt vom Bauern oder an der Frischetheke – standen Hygiene oder Gesundheitsrichtlinien dem entgegen. Aber Patricia Struck ließ sich nicht beirren, schob die Tupperdose immer wieder aufs Tablett der Frischetheke – diese Form des Einkaufens verbreitet sich derzeit auch in der Region in Supermärkten. Wurst wird bei ihr beim Metzger auf Vorrat gekauft und eingefroren. Das Brot kommt vom Brotwagen in den Jutebeutel und dann nicht im Plastik zum Einfrieren in die Truhe, sondern eingewickelt in ein Geschirrtuch. „Funktioniert super."

Kuchen vom Bäckerwagen direkt auf den Teller

Den Kuchen kauft sie am Bäckerwagen auf dem eigenen Teller. Den Joghurt im Glas, die Milch in Glasflaschen: „Meistens stehen sechs Flaschen im Supermarkt im Regal. Wenn ich durch bin, sind alle weg", sagt sie mit Bedauern darüber, dass die Angebotsmenge zu klein sei. Obst und Gemüse landen direkt ohne Umverpackung im Einkaufwagen, die empfindlichen Tomaten kommen ins Wäschenetz von daheim. Sie lacht: „Sieht bei mir immer aus, als ob ich die Gemüseabteilung spazieren fahre."

Zweiter Schwerpunkt der Müllvermeidung: das Bad. „Ich bin auf Seife statt Flüssigseife umgestiegen." Statt Duschgel kommt das Seifenstück in einen Waschlappen. Einen solchen hat sie auch zum Abschminken – mit Olivenöl. Die Zahnbürsten sind aus Holz oder Bambus, die Wattestäbchen aus Pappe und Baumwolle, die Taschentücher gibt’s aus der großen Pappbox. Ausprobieren will sie nach Absprache mit der Zahnärztin auch mal die Zahnputz-Tabletten, in denen kein Mikroplastik enthalten ist. Tüten, die sie bei Bestellungen erhält, werden wiederverwertet, beispielsweise als Müllbeutel, das Mineralwasser kommt aus dem Sodastream, die Kinder bekommen davon kleine Flaschen mit Apfelschorle mit in die Schule.

Die Bequemlichkeit der Überflussgesellschaft

Selbst die Möbel im Schlafzimmer oder Einrichtungsgegenstände im Wohnzimmer haben sie und ihr Mann recycelt und umgebaut statt weggeworfen. „Ein langer Prozess, bei dem vieles ineinandergreift und den man langsam verinnerlicht", sagt die 40-jährige Kollerbeckerin und spricht von der „Bequemlichkeit der Überflussgesellschaft" und der Menge an Müll, der trotz unseres Entsorgungssystems immer noch in der Landschaft lande. Als treibende Kraft animiert sie auch die Familie zum Mitmachen, erzählt sie und muss lächeln, als sie an eine Situation denkt: Der Sohn holte das Eis am Eiswagen vor der Haustür in einem wiederbefüllbaren Schälchen ab. Als der Eismann ihm einen Plastiklöffel reichen wollte, winkte der Junge ab: „Meine Mama mag das nicht." Löffel habe man in der Schublade der Küche.

Sie sei aber noch lange nicht am Ende des Weges, sagt Patricia Struck und verweist beispielsweise auf Kleidung mit viel Kunstfaser, wo sie noch viel bewusster einkaufen wolle. Oder auf das Laster des Rauchens mit den Giftstoffen in den Zigarettenstummeln. Aber: Ihr Kühlschrank und ihr Badezimmer sehen heute anders aus als vor zwei Jahren. Damals kam sie mit einer Kollegin am Arbeitsplatz bei Phönix Contact ins Gespräch, die das konsequente Müllvermeiden schon länger und intensiv durchzieht. „Warum nicht auch mal machen", fragte sie sich – und legte los.

Der meiste Müll fällt in Küche und Bad an

„Zuerst habe ich überlegt, wo zu Hause am meisten Müll anfällt." Antwort: „Küche und Bad." Sie holte sich von der Kollegin und aus dem Internet Tipps. Denn: „Der Austausch mit anderen ist wichtig. Vieles war vor drei, vier Jahren noch kein Thema. Das Bewusstsein der Menschen hat sich verändert." „Schrecklich" findet sie es, wenn die Verantwortung für das klima- und umweltbewusste Handeln und den Verzicht auf Müll immer auf „die da oben in der Politik" geschoben werde: „Packt Euch an den eigenen Hintern und macht es", lautet ihr Appell. „Nur das Verbraucherverhalten kann Veränderungen anschieben."

Deshalb finde sie Klimaaktivistin und Fridays-for-Future-Begründerin Greta Thunberg auch „super" und würde ihren Söhnen sofort grünes Licht für die Demo geben. Auch in der Schulzeit. Denn: „Wenn etwas nicht wehtut, wird es nur freundlich belächelt."