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30 Jahre Game Boy und ich: Eine Liebeserklärung

220 Gramm pures Glück: Nintendos erste Handheld-Konsole begründete den Erfolg des Unternehmens - und bescherte unserem Autor zahllose glückliche Stunden

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Pokémon auf dem Game Boy. Eine Erfolgsgeschichte. | © picture alliance / dpa Themendienst

Pokémon auf dem Game Boy. Eine Erfolgsgeschichte. | © picture alliance / dpa Themendienst

29.10.2019 | 29.10.2019, 06:14

Das untrüglichste Zeichen fürs Älterwerden ist ja, wenn etwas Jubiläum feiert, das jünger ist, als man selbst. Den Game Boy gibt es in Europa nun seit fast 30 Jahren, was mich nicht nur wegen meines sondern auch wegen seines Alters sentimental werden lässt. Denn Game Boy, was haben wir alles erlebt.

Ist es wirklich so lange her, dass ich im Level 1-1 den stereotypen Italo-Klempner Mario zum ersten Mal, Kopf voran, an einen Fragezeichen-Klotz springen ließ? Dass ich Pokémon jagte, als wären sie der Sinn des Lebens? Dass ich stundenlangen Autofahrten entgegenfieberte, anstatt sie zu verteufeln, weil sie mir nur halb so lang vorkamen, weil mein Game Boy ja dabei war?

Die Spielkassetten waren oft Grund für Frust, wenn sie aus den unerfindlichsten Gründen nicht funktionieren wollten. - © picture alliance / dpa Themendienst
Die Spielkassetten waren oft Grund für Frust, wenn sie aus den unerfindlichsten Gründen nicht funktionieren wollten. | © picture alliance / dpa Themendienst

Der Game Boy war für mich und eine ganze Generation sowas wie Marihuana. Die Einstiegsdroge, unwiderstehlich und günstiger zu haben als das teurere Koks, beziehungsweise die Playstation. Von Sucht sprachen 1989 im Zusammenhang mit Spielen oder Spielkonsolen noch die wenigsten. Es gab einfach bis dahin für Videospieler nichts, was süchtig gemacht hätte.

Steuerkreuz und vier Tasten - das versteht jeder

Das änderte der Gameboy. Ein Steuerkreuz und vier Tasten, das verstand jeder. Mit "A" bestätigte man (oder versuchte durch irre schnelles Nacheinanderdrücken den Vorspann des Spiels schneller ablaufen zu lassen), "B" führte irgendwie zurück, "Start" rief meistens ein Menü auf und was die Select-Taste tut, weiß bis heute eigentlich niemand. Fest steht aber: Es veränderte alles.

Und weil alles so einfach war, dachten wir uns nichts dabei, Tetris zu spielen bis endlich auf Stufe 10 die Raketen-Animation startete, eine aus heutiger Sicht geradezu freche Belohnung für das Durchspielen eines Games. Wir hatten kein schlechtes Gewissen, wenn Autobahnfahrten in die Ferien die perfekte Gelegenheit darstellten, nach der blauen und roten endlich auch die gelbe Edition von Pokémon durchzuspielen.

Zumindest, wenn uns der bockige graue Klotz ließ. Anders als heute, wo die meisten Spiele in Sekunden aufs Smartphone geladen werden können, brauchte es damals noch Spielkassetten. Und wenn die dreckig waren oder nass, oder wenn einen der Games-Gott einfach gerade ganz besonders dolle hasste, funktionierten sie nicht. Dann verzerrte sich das Nintendo-Logo, das vor jedem Spielbeginn von oben auf das 160x144-Bildpunkt-Display herunterlief, zu Pixelbrei. Einzige Lösung: Kassette raus, unten reinpusten, neuer Versuch. Eine unwiderstehlich analoge Lösung.

Noch schlimmer waren nur leere Batterien. Wer in der Trance des Spielrauschs das Speichern vergaß und dann das rote Powerlämpchen langsam verlöschen sah, der konnte dem Spielfortschritt von Stunden meist nur noch wehmütig nachwinken. Wer sowas mal erlebt hat, der steckt wahrscheinlich bis heute sein Handy bei 99 Prozent Akku ans Ladekabel. Nur zur Sicherheit.

Warum hielt sich der Game Boy? Die Antwort: Seine Geschichten

Doch der Game Boy begründete nicht nur den Hype um Games allgemein, auf ihm unternahmen Spieleentwickler auch die ersten Versuche des virtuellen Geschichtenerzählens. Spiele wie "The Legend of Zelda" zeigten, dass es nicht viele Bildpunkte braucht, um Menschen anzurühren. Erst das machte den Game Boy wirklich zur Erfolgsgeschichte. Denn bis dahin war die Jagd nach Highscores noch des Nonplusultra des Game Designs.

Ich muss zugeben, dass der Game Boy mich irgendwann als Fan verlor. Denn die neueren Modelle setzten für mein Empfinden auf die falschen Neuerungen (Wer bitte braucht beim Spielen einen Stift, um das Display zu bedienen???). Und spätestens als "Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging", zuvor höchstens in Fernsehzeitungen erfolgreich, zum Massenphänomen wurde, hatte es sich mit meiner Faszination erledigt.

Vor nicht allzu langer Zeit habe ich tatsächlich noch einmal Pokémon gespielt. Denn der Game Boy Color meines Bruders liegt immer noch in derselben Schublade, in der ich ihn irgendwann einmal vergessen haben muss. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, ich hätte keine frischen Batterien rausgekramt und beim "Pling" des Nintendo-Logos ein mittelschweres Synapsenfeuerwerk abgebrannt. Denn das Prinzip Anmachen, A-Taste hämmern, beruhigen, spielen hat nichts von seinem Charme verloren. Nach fast 30 Jahren.

Respekt.