Gütersloher Abrissunternehmen sprengt Kraftwerk im Ruhrgebiet

Gütersloh/Castrop-Rauxel. Vier Stunden – mehr Schlaf ist für Thomas Hagedorn in der Nacht zu Sonntag nicht drin. Klappt alles? Läuft irgendetwas schief? Die Aufregung ist dem Geschäftsführer des Gütersloher Abrissunternehmen auch am Morgen ins Gesicht geschrieben. Es ist der große Tag für ihn und sein Team. Das stillgelegte Kohlekraftwerk Knepper auf der Stadtgrenze Dortmund und Castrop-Rauxel wird gesprengt. Hagedorn hatte das Grundstück samt Kraftwerk vor knapp einem Jahr von der Eon-Tochter Uniper gekauft – er will die 54 Hektar große Fläche jetzt für eine neue Nutzung erschließen. Eine britische Immobilienfirma will das Gelände als Gewerbepark vermarkten. Monatelang hat sich eine Mannschaft aus knapp 150 Personen auf die Sprengung vorbereitet. Ein dumpfer Knall - das war's Sicherheitskonzepte wurden ausgearbeitet, Evakuierungen geplant, die technische Sprengung bis ins kleinste Detail ausgetüftelt. Es könnte die größte Sprengung des Jahres in Deutschland werden. Thomas Hagedorn ist sich dessen bewusst als er am Morgen mit seiner Frau Barbara nur wenige Meter vor dem Kraftwerk. Schon jetzt gibt er Interviews, posiert für Fotos. Sein größter Wunsch in diesem Moment : &bdquo;Dass alles klappt." Um viertel nach elf ertönen dann endlich die erlösenden Signale. Ein langes und zwei kurze. Dann knallt es. Ein dumpfer Knall und das Kesselhaus bricht in sich zusammen. Eine riesige Staubwolke folgt. Bevor es mit dem 128 Meter hohen Kühlturm und dem 210 Meter hohen Schornstein weitergehen kann, kontrolliert ein Sprengmeister, ob alles nach Plan gelaufen ist. 45 Minuten später ertönten die nächsten Signale. Ein langes und zwei kurze. Es knallt. Zuerst fällt der riesige Kühlturm in sich zusammen – es sieht fast aus, als würde man eine leere Getränkedose zerdrücken. Nur wenige Sekunden später kippt der Schornstein zur Seite. Dann sieht man nur noch Nebel. Das wars. Das Kraftwerk Knepper ist Geschichte. Die Anspannung in Hagedorns Gesicht weicht. Er umarmt seine Frau, klatscht Freunde, Familie und Mitarbeiter ab. Es hat alles geklappt. "Wo ist der Sprengmeister?" Doch der Geschäftsführer des Abrissunternehmen wirkt noch nicht völlig gelöst. Er sucht jemanden. Mehrfach blickt er sich um. &bdquo;Wo ist der Sprengmeister?" André Michael Schewcow (39) ist der Letzte, der sich an diesem Morgen feiern lässt. 28.400 Tonnen Schrott und Schutt bleiben übrigFast schon bescheiden kommt er zwanzig Minuten später von der Sprengzentrale auf das Zuschauergelände. &bdquo;Bevor Sie ihn jetzt mit ihren Fragen löchern dürfen, bin ich erstmal dran", ruft er in Richtung der Fernseh-Teams, lacht und nimmt Schewcow herzlich in den Arm. &bdquo;Klasse Arbeit, vielen Dank." Auch Schewcow ist die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Es war seine bislang größte Sprengung. Mit seinen 39 Jahren ist er der jüngste Sprengmeister Deutschlands. &bdquo;Ich bin voll und ganz zufrieden", sagt er und muss fast ein bisschen schmunzeln. Noch immer hat er seinen roten Helm auf. Von dem ganzen Trubel um die Sprengung habe er selbst nicht viel mitbekommen. Etliche &bdquo;Spreng-Touristen" hatten sich sowohl auf der extra aufgebauten Zuschauer-Tribüne und rund um das Sperrgebiet auf Feldern und Wiesen versammelt. &bdquo;Ich bin in dem Moment so konzentriert, dass ich alles andere ausblende." 120 Anwohner müssen raus Die Art der Sprengung sei auch für ihn besonders gewesen – vor allem, dass gleich mehrere Gebäude auf einmal gesprengt wurden. &bdquo;Häufig wird in mehreren Phasen gesprengt," erklärt Tina Gutmann, Sprecherin von Hagedorn, &bdquo;in diesem Fall hat man sich aufgrund der engen Bebauung im Umfeld – auch mit Privathäusern – aber für nur eine Sprengung entschieden." 120 Anwohner mussten ihre Häuser verlassen, Straßen und Luftraum wurden gesperrt. Damit das nur einmal geschehen muss, habe man die Bestandteile Werks an einem Tag gesprengt. Mehr als 200 Kilo Sprengstoff werden an diesem Sonntag gezündet. Von dem Kohlekraftwerk Knepper bleiben nur gut 28.400 Tonnen Stahlschrott und Bauschutt übrig. Ein kleines Stück Ruhrgebiet-Geschichte ist platt.

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