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Landwirtschaft

Glyphosat und Co.: Das bringen Landwirte wirklich auf ihren Feldern aus

Düngung: Derzeit sind viele Landwirte mit Spritzgeräten unterwegs und werden dafür zum Teil scharf angegriffen und beleidigt. Dabei herrscht viel Unkenntnis über die Hintergründe zur Behandlung von Pflanzen.

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Pflanzenspritzung: Ein Landwirt fährt mit einem Traktor über ein Gerstenfeld und bringt Düngemittel aus. | © picture alliance

Pflanzenspritzung: Ein Landwirt fährt mit einem Traktor über ein Gerstenfeld und bringt Düngemittel aus. | © picture alliance

19.04.2019 | 19.04.2019, 12:02

Bielefeld/Düsseldorf. Die Tage werden länger, die Temperaturen steigen – im Frühling erwacht die Natur aus ihrem Winterschlaf und es wird höchste Zeit für die Landwirte, auf ihren Feldern aktiv zu werden. Doch das begrüßt nicht jeder. „Kollegen wird der Mittelfinger gezeigt, wenn sie mit der Spritze über die Straße fahren", sagt Hubertus Beringmeier, Vorsitzender des Bezirksverbands Ostwestfalen-Lippe des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV). Auch verbale Angriffe gibt es. Grund für diese Verurteilung von Landwirten ist neben öffentlichen Debatten um Glyphosat auch die Unkenntnis über den Pflanzenschutz selbst.

Denn kein Landwirt fährt rein prophylaktisch Chemikalien auf seine Äcker aus, weiß der Vorsitzende. „Wir fahren nach sogenannten Schadschwellen. Erst muss ein Befund festgestellt werden, dann wird gedüngt", sagt Beringmeier. So verlangt es auch die Düngeverordnung. Zudem arbeiten die Betriebe nicht nur durch die gesetzliche Vorschriften nach dem Motto: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.

Dahinter steckt auch das eigene wirtschaftliche Interesse. „Ich weiß nicht, welche Vorstellung viele Menschen haben. Dünger und Pflanzenschutzmittel sind teure Produktionsmittel. Da fährt kein Landwirt zum Spaß mit der Spritze über den Acker. Pflanzenschutz ist Qualitätssicherung", sagt Ferdinand Falke, Pflanzenbauberater der Landwirtschaftskammer für den Bereich Paderborn. Und genau deshalb ist der Einsatz der Mittel häufig nötig.

Abnehmer mit  hohen Ansprüchen  verweigern im Zweifel die Annahme

Denn auch die Abnehmer des Getreides, egal ob Landhandel oder Mühle, haben hohe Ansprüche. Zu feuchtes Getreide oder etwa Lieferungen mit zu hohem Anteil an Unkraut bedeuten zum Teil enorme Abzüge im Preis.

Außerdem haben die Weiterverarbeiter, wie etwa Mühlen zur Herstellung von Mehl Qualitätsanforderungen an das Korn. „Backweizen muss mindestens 12 bis 13 Prozent Protein enthalten", sagt Klaus Redeker, Inhaber der Niedernmühle im Kalletal. „Wenn das Getreide bei uns ankommt wird es geprüft, vorgereinigt und nach unterschiedlichen Qualitätsgruppen eingelagert. Daraus mischen wir am Ende eine möglichst gleichmäßige Mühlenmischung, damit das Mehl eine gleichmäßige Qualität hat", erklärt der Mühlenbetreiber. Und die ist wichtig, damit Bäcker und Endverbraucher ein zuverlässiges Rohmaterial haben.

Mittel sind notwendig, um Missernten zu vermeiden

Um diese Qualität in Mindestgröße des Mehlkörpers oder dem Proteingehalt erreichen zu können, sind bestimmte Ausbringungen von Dünger und Pflanzenschutzmittel zwingend erforderlich. Denn sonst kann der Landwirt sein Getreide nicht einmal als Futtermittel verwenden. „Wenn wir zum Beispiel den Mehltau nicht bekämpfen, kommt es zur totalen Missernte. Das heißt, dass das Korn für nichts mehr zu gebrauchen ist. Nichtmal mehr als Viehfutter. Denn auch dafür müssen Standards erfüllt werden", sagt Beringmeier und auch Falke weiß: „Die Landwirte erzeugen Qualitätsgetreide – ganz egal ob es sich um Saatgut, Futtermittel oder Brotgetreide handelt. Für jeden Bereich gibt es Anforderungen."

Hubertus Beringmeier warnt vor einer vorschnellen Einordnung für Laien: „Durch die Glyphosatdiskussion werden alle Landwirte, die mit einer Spritze unterwegs sind, in Sippenhaft genommen." Dabei werden inzwischen auch viele Mineralien per Spritze ausgefahren und von den ungefähr vier Spritzungen einer Getreidefläche im Jahr betrage das Verhältnis von Dünger und Pflanzenschutz 40 zu 60 Prozent. „Zurzeit wird zum Beispiel gegen Pilzkrankheiten gespritzt, die nicht nur für die Pflanze, sondern am Ende auch für den Endverbraucher fatale Folgen haben können", erklärt Beringmeier. Die weit verbreitete Meinung, dass nur konventionelle Landwirte Spritzen, ist übrigens nicht mehr als ein Mythos.

Auch Biogetreide muss gespritzt werden

Auch Biogetreide muss gespritzt werden, um ertragreich zu sein. Zum Beispiel mit Kupfer. Redeker weiß aus Fachmedien: „Man weiß sogar, dass die Schadstoffbelastung, die in jedem Boden vorhanden ist, im Bio-Getreide nicht zwangsläufig geringer ist, denn der Boden ist derselbe."

Und noch etwas darf der Verbraucher nicht vergessen: Wer Regionalität möchte, der sollte auch gesunde Pflanzen vor Ort wollen und die brauchen eben Pflanzenschutz und Dünger, um zu Mehl verarbeitet zu werden. „Dafür gibt es ja klare Regeln, die die Umwelt- und Düngeverordnung und auch das Pflanzenschutzgesetz diktieren. Dort ist exakt geregelt wo, wann und wie welches Mittel eingesetzt werden darf und das wird auch sehr streng kontrolliert. Das alles geschieht zum Wohl der Pflanze und mit dem Ziel ein gesundes Endprodukt zu erhalten", erklärt Falke.

Was passiert, wenn man eine Pflanze auf den natürlichen Böden nicht behandelt, dazu rät Beringmeier zu einem einfachen Experiment: „Pflanzen Sie doch mal in ihrem Garten oder in einem Blumentopf mit normaler Erde Getreide an und beobachten, was ohne Hilfe passiert."


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