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Beim Recycling gibt sich Deutschland eifrig - doch es gibt ein Problem

Deutschland brüstet sich gerne mit seinem Recycling-Eifer. Das stimmt für einige Stoffe, nicht aber bei Kunststoff

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Die Deutschen sind bei Verpackungen europaweit spitze. | © picture alliance / imageBROKER

Die Deutschen sind bei Verpackungen europaweit spitze. | © picture alliance / imageBROKER

23.02.2019 | 23.02.2019, 13:48

Berlin. Früher gab es den Käse am Stück, heute benötigt der in Scheiben eine aufwendigere Verpackung. Der Obstsalat steht geschnitten und in Plastikbechern verpackt im Ladenregal, ebenso der Salat samt Sauce im Tütchen. Die Reinigungsmittel gibt es oft in einer Flasche mit Sprühkopf, der leicht so viel wiegt wie die ganze Flasche.

Bei Verpackungen sind die Deutschen an der Spitze

Die Deutschen sind bei Verpackungen europaweit spitze: Im Schnitt kommt mittlerweile jeder auf rund 220 Kilo Verpackungsmüll pro Jahr, das schaffen die Bürger in anderen Ländern der EU nicht. Alles halb so schlimm? Der Müll wird doch fleißig gesammelt, in gelben Tonnen, in Säcken, in Containern – und dann recycelt?

Deutschland brüstet sich gerne mit seinem Eifer, alles im Kreislauf zu führen. Das stimmt für Glas, für Papier, für Metall weitgehend, die Stoffe sind in der hiesigen Industrie begehrt – nicht aber bei Kunststoff. Es gibt Fortschritte, das ja. So mancher trägt heute alte Plastikflaschen am Leib. Erst vor Kurzem stellte der Outdoorausrüster Vaude auf der Sportartikelmesse Ispo eine einzigartige Wanderjacke vor: Die Firma aus dem baden-württembergischen Tettnang näht erstmals eine Membran, die Wind und Wasser abhalten soll, ein, in der alte PET-Flaschen stecken.

Oft ist der Aufwand beim Recycling das Problem

Andere deutsche Firmen, so erklärt Thomas Probst vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung, bvse, stellen Bodengitter für Reitanlagen oder Bohlen für den Strandzugang, Sandkästen für Spielplätze oder Bänke für Parks aus altem Kunststoff her. Und in den Niederlanden wurde vor wenigen Monaten ein erster Radweg aus recyceltem Plastik eröffnet, wenn auch nur 30 Meter lang.

Aus der Flasche wird wieder die Flasche, aus dem Becher wieder der Becher? Das könnte man meinen, gibt es auch, ist bislang aber selten. Das Unternehmen Werner & Mertz, zu dem Marken wie Erdal und Frosch zählen, hat zwar für seine Reinigungsmittel Flaschen entwickelt, die zu 100 Prozent aus Recyclingkunststoff bestehen – findet aber nur wenig Nachahmer. Denn: So einfach ist das mit dem Einsatz des Altplastiks nicht, oft hapert es am Aufwand, an technischen Gründen.

Käse-Folien machen Recyclern zu schaffen

Das Problem fängt mit der schwarzen Waschmittelflasche an. Dunkle Kunststoffe lassen sich später nicht mehr zu hellen verarbeiten. Das ist ähnlich dem Altpapier früher, der neue Kunststoff sieht womöglich leicht fleckig und unsauber aus. Vor allem lässt sich schwarzes Plastikmaterial schwer sortieren, die Infraroterkennung der Sortieranlage tut sich mit der Farbe sehr schwer. Aber das ist nicht das einzige. Auch miteinander verklebte Folien machen den Recyclern zu schaffen.

Die sechs Scheiben Käse zum Beispiel. Die Verpackung soll ihn vor Sonne schützen, frisch halten, leicht zu öffnen und möglichst wieder zu schließen sein. Darum wird er in Folien gepackt, die aus gut zehn hauchdünnen Schichten bestehen – jede Schicht ein anderes Material.

Bald müssen Kunststoffverpackungen wiederverwertbar sein

Sollen die nach dem einmaligen Gebrauch wieder getrennt werden, um sortenreine Rezyklate daraus herzustellen, braucht es eine ausgeklügelte Technik. Nur: Das darf nicht zu viel kosten, sonst wird die Neuware aus Rohöl unschlagbar günstig.

Das Problem hat mittlerweile auch die politische Ebene erreicht. Die EU-Kommission verlangt in ihrer Plastikstrategie, dass bis zum Jahr 2030 sämtliche Kunststoffverpackungen wiederverwertbar sein müssen. Und hierzulande sollen sich schon mit diesem Jahr die Zeiten ändern.

Duale Systeme kümmern sich um Kunststoffe

Anders als bei Hausmüll oder der Biotonne sind für den Verpackungsmüll die sogenannten Dualen Systeme zuständig. Das bekannteste von ihnen ist "Der Grüne Punkt", weitere heißen "Belland-Vision" oder "Veolia", neun sind es derzeit insgesamt. 2020 will noch der Discounter Lidl einsteigen.

Sie beauftragen die Müllwerker, Sortierer, Entsorger. Dafür zahlen ihnen Industrie und Händler Lizenzgebühren, die wiederum die deutschen Verbraucher mit jedem Einkauf mitfinanzieren – im Jahr sind das derzeit etwa 12,50 Euro pro Kopf. Die Dualen Systeme sollen ihre Preise für die Entsorgung ab jetzt staffeln – je recyclingfähiger eine Verpackung, umso günstiger.

Entscheidende Neuerung im Verpackungsgesetz

Das ist eine entscheidende Neuerung im Verpackungsgesetz, das Anfang des Jahres in Kraft getreten ist. Seither gilt zudem eine höhere Recyclingquote: 58,5 Prozent der Kunststoffverpackungen sollen nun recycelt werden, ab 2022 sogar 63 Prozent. Bisher waren das 36 Prozent. Die wurden laut Umweltbundesamt auch eingehalten, sogar übertroffen: 46 Prozent sind demnach verwertet worden, und 53 Prozent werden zur Energiegewinnung verbrannt.

Nur: Es wird alles als recycelt gezählt, was nach der Sortierung des Plastikmülls in eine Verwertungsanlage reingeht. Aber längst nicht alles, was reingeht, kommt hinten als Recyclingmaterial wieder raus.

Denn eine stattliche Menge lässt sich zum Beispiel nicht gebrauchen, ist feucht, schimmelig, irgendwie ein Irrläufer. Solche Verluste werden nicht abgezogen, das Material, das in den Export geht auch nicht, egal was damit in einem anderen Land passiert. So wird insgesamt viel weniger recycelt als offiziell angegeben: nur 30 Prozent der Kunststoffe, schätzen Experten. Die Schönrechnerei soll sich künftig zwar ändern, die Formeln sollen europaweit vereinheitlicht und geregelt werden. Aber noch ist alles beim Alten.

Umwelthilfe: Kein echter Schub

Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe glaubt zwar, dass künftig mehr recycelt wird, im Grunde sieht er aber keinen echten Schub. Denn die Dualen Systeme müssten um ihre Aufträge feilschen. Sie könnten es sich unter den derzeitigen Wettbewerbsbedingungen kaum leisten, die Gebühren für schlecht zu recycelnde Verpackungen entscheidend anzuheben, wollten sie ihre Kunden behalten, meint er: „Duale Systeme sollen recyclingfähige Verpackungen belohnen und schlecht recyclingfähige nicht. Wie groß der finanzielle Unterschied sein wird, entscheiden sie selbst und genau das ist das Problem."

Vor allem sieht er noch einen anderen Hebel: „Es reicht nicht aus, Recyclingquoten festzulegen, wenn die Nachfrage nach Altplastik nicht stimmt und Primärmaterial aus Rohöl viel zu billig ist", sagt Fischer. Er fordert eine Mindestquote für den Anteil von Recyclingmaterial in Plastikverpackungen und -produkten.

Lohnt es für Verbraucher derzeit denn noch, Abfälle fein säuberlich zu trennen. „Auf jeden Fall", meint Fischer, „je besser sortiert, desto einfacher das Recycling". Am besten sei es allerdings auf Mehrweg zu setzen und Müll, wo immer es geht, zu vermeiden.


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