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Missbrauchsskandal

Missbrauch in Lügde: Kripo Lippe seit Jahren im Personal-Notstand

Polizei-Gewerkschafter prangern die Unterbesetzung in Detmold an

Bei der Aufklärung des Falls beklagt die Kripo in Lippe einen Personalnotstand. | © dpa

Bei der Aufklärung des Falls beklagt die Kripo in Lippe einen Personalnotstand. | © dpa

23.02.2019 | 23.02.2019, 10:19

Düsseldorf/Detmold. Der Skandal um die Pannen beim Umgang mit einem der größten Kindesmissbrauchsfälle in der Geschichte von Nordrhein-Westfalen nimmt immer größere Ausmaße an.

Als am Freitag bekannt wurde, dass bei der Kripo in Detmold ein unerfahrener Polizei-Anwärter mit der Auswertung der Daten im Fall des tausendfachen Kindesmissbrauchs in Lügde betraut worden ist, finden plötzlich Sebastian Fiedler, NRW-Landeschef des Bundes der Kriminalbeamten (BdK), und Michael Mertens, NRW-Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), mit ihrer Kritik an der Personalsituation der Kripo in Lippe bundesweit Gehör.

Schon 2016 auf "Notlage" aufmerksam gemacht

Schon 2016 habe die Bezirksgruppe Lippe des Bundes der Kriminalbeamten in einem öffentlichen Rundschreiben auf die „Notlage der Direktion K in Lippe" aufmerksam gemacht. „Von der personellen Unterbesetzung wussten seit Jahren alle – doch nichts ist geschehen", sagte Fiedler vom BdK. „Dafür trägt auch der Innenminister Verantwortung", so Fiedler.

Der BDK-Landeschef sprach von 75 Stellen, die nicht besetzt seien. In der Tat: In Lippe kommen auf 1.000 Einwohner gerade einmal 1,1 Polizeibeamte, das ist die niedrigste Quote in ganz NRW. Von der personellen Aufstockung der Polizei habe die Kripo bislang nicht profitiert, so Fiedler. Gerade die kleineren Polizeibehörden seien besonders „gebeutelt".

"Vertrauen der Bevölkerung nachhaltig erschüttert"

Auch GdP-Landeschef Michael Mertens sprach die schlechte personelle Situation bei der Polizei in Lippe an. Die Zahl der Beamten sei in den vergangenen Jahren noch von 359 auf 347 zurückgegangen. „Dass wir in Lippe auf Kante genäht sind, weiß jeder", so Mertens. Beide, Mertens und Fiedler, wollen die schlechte Personalausstattung der Kripo in Detmold nicht allein verantwortlich machen für das eklatante Versagen der Polizei bei den bisherigen Ermittlungsarbeiten am Fall Lügde. Natürlich sei das ein Skandal, aber es habe wenig Sinn, jetzt über den genauen Ablauf und die Verantwortung einzelner zu spekulieren.

Eines jedoch sei klar: „Dass den ersten Hinweisen auf den massenhaften sexuellen Missbrauchsfall von Kindern auf einem Campingplatz in Lüdge nicht sofort nachgegangen wurde und dass Beweismittel verloren gegangen sind, hat das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei nachhaltig erschüttert", sagte Mertens.

Fiedler, Mertens und auch der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Erich Rettinghaus, begrüßten es, dass NRW-Innenminister Herbert Reul jetzt einen Sonderermittler und Beamte des Landeskriminalamtes nach Detmold geschickt habe, um dort nach den Ursachen des Desasters zu forschen. Die LKA-Leute sollen nun herausfinden, ob das Beweismaterial tatsächlich beiseitegeschafft wurde und wie es dazu kommen konnte.

„Ein Einzelfall, der nicht typisch für die NRW-Polizei ist"

„Ich habe auch viele Fragezeichen hinter diesen Vorfällen", sagte Rettinghaus von der DPolG im Gespräch mit dieser Zeitung. Allerdings müsse man jetzt die Ermittlungen abwarten, sagte Rettinghaus. Warum die Beweismittel wirklich weggekommen seien, müsse aufgeklärt und öffentlich gemacht werden. Rettinghaus, offenbar auch besorgt um den guten Ruf der Polizei, sprach von einem Einzelfall, der nicht typisch für die Polizeiarbeit in NRW sei. Dass es gerade in einem so schwerwiegenden Fall wie dem von Lügde passiert sei, sei besonders tragisch.