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Karl Lagerfeld ist tot: Koryphäe, Ikone, Genie

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Karl Lagerfeld ist verstorben. | © picture alliance / Photoshot

Karl Lagerfeld ist verstorben. | © picture alliance / Photoshot

19.02.2019 | 19.02.2019, 21:51

Bielefeld/Paris. Immer wieder fragte sich die Modewelt in den vergangenen Wochen und Monaten, ob Karl Lagerfeld gestorben ist. Ruhig war es um den Modeschöpfer geworden. Sogar auf der Fashionweek in Paris war er nach der Präsentation von Chanel nicht auf dem Laufsteg erschienen, um sich den Applaus für seine Kollektion abzuholen. Es war das erste Mal, seit er bei Chanel als Kreativdirektor arbeitete. Immer wieder hieß es, der Modeschöpfer sei krank. Trotz der mehrfachen Vermutung, dass er gestorben sei, schlägt die Nachricht von seinem Tod am Dienstag ein wie eine Bombe.

Am Montagabend soll er in ein Pariser Krankenhaus eingeliefert worden sein. Am Dienstagmorgen, so berichten es französische Medien mit Berufung auf Menschen im nahen Umfeld von Lagerfeld, sei er ebendort gestorben. Auch das Modehaus Chanel bestätigte diese Nachricht. Laut Insidern wurde Lagerfeld 85 Jahre alt. Doch gesichert ist diese Altersangabe nicht. Lagerfeld selbst hatte sich Fragen zu seinem Alter stets ein amüsantes Heckmeck gemacht.

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Er selbst sagte, er sei Jahrgang 1935, dann wieder war es 1938, als er das Licht der Welt erblickte. „Buchhalterische Schwierigkeiten", nannte er selbst die Unklarheit und verwies auf seine Mutter, die wohl offizielle Dokumente korrigiert habe.

Lagerfeld – eine Erscheinung

Er selbst war eine Erscheinung, wenn er auch stets den selben Look trug: Schwarze Sonnenbrille, schwarzer Anzug von Hedi Slimane, darunter ein weißes Hemd mit hohem Kragen, schwarze Krawatte oder Fliege. Dabei trug er die grauen, später weißen Haare stets gepudert zu einem tiefen Nackenzopf. Sein Markenzeichen, der Fächer, wurde mit steigenden Alter durch Kurzfingerhandschuhe ersetzt. Ja, Lagerfeld war eitel und versuchte die Zeichen des Alters so weit es eben ging zu verstecken.

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Lagerfeld hinterlässt Lücke in internationaler Modewelt

Als er im Jahr 2000 auf sein Topgewicht kam, zog er die Reißleine und zeigte mal wieder, wie konsequent und auch rabiat er sein konnte: Innerhalb von 13 Monaten nahm Lagerfeld satte 40 Kilogramm ab. Seitdem griff er nur noch zur Cola light – und designte kurzerhand eine Sonderedition für die Marke.

Kind eines reichen Dosenmilch-Fabrikanten

Obwohl Lagerfeld sich seinen Erfolg absolut selbst erarbeitet hat, kann man nicht behaupten, dass er sich auch gesellschaftlich hocharbeiten musste. Als Sohn wurde er in die reiche Hamburger Fabrikantenfamilie geboren, die die Kondensmilch Glücksklee herstellte. Anders hätte er sich wohl so früh ein Leben in der Modemetropole Paris nicht leisten könnten. Schon 1953 zog er mit seiner Mutter in die Metropole, wo er seine Schullaufbahn auf einer Privatschule beendete. Seine Mutter war es übrigens, die laut Lagerfeld neben dem unbekannten Geburtsdatum auch Schuld an seinem Schnellsprechen hatte. Sie habe ihm schon als Kind eingetrichtert, dass er schnell reden solle, wenn er sie nicht langweilen wolle.

Ein Gespür und Interesse für Mode habe er schon früh empfunden, erzählte Lagerfeld in früheren Interviews. 1954 gewann er in Paris einen internationalen Designwettbewerb, zu dem er mit einem Wollmantel angetreten war. Natürlich für Damen. Mit Herrenmode hatte Lagerfeld nie einen Vertrag. Der Gewinn öffnete ihm direkt große Türen. Kein geringerer als Pierre Balmain stellte Lagerfeld als Assistenten ein und brachte dessen Mantel in die Geschäfte.

Von Anfang an bei den Großen unter Vertrag

Nach einiger Zeit bei Balmain zog es Lagerfeld weiter. Jean Patou, Valentino, Krizia, Fendi, Chloé, Deco: Stationen im „Erste-Klasse-Design" von denen angehende Designer träumen. Lagerfeld war bei ihnen allen. 1983 klopfte Chanel an. Damals ging es dem Imperium eher mäßig. Die Zahlen waren nicht glorreich und die Mode stand für den blätternden Schick älterer Damen. Coco Chanel hat er nie kennengelernt, wohl aber ihr Vermächtnis mit scheinbar großer Erfurcht bewahrt. Denn obwohl Lagerfeld es schaffte, Chanel auch wieder in jüngeren Kleiderschränken zu verorten, hat er den Stil des Hauses und somit den Geist Chanels stets gewahrt.

Und das mit Erfolg. Er machte das Modehaus zu einem Milliardenkonzern. Er schuf einzigartige Kreationen, die ihm den Namen des Genies, der Koryphäe und Ikone einbrachten. Zum Beispiel die „Boy", eine Handtasche in Anlehnung an das klassische Design von Mademoiselle Coco Chanel, getauft auf den Namen ihrer großen Liebe Boy Capel. Eines der erfolgreichsten Modelle aus dem Pariser Modehaus. Ebenso wegweisend war die Graffiti-Kollektion, in der er sündhaft teure Rucksäcke und Taschen aussehen ließ, als seien sie besprüht und von (zugegeben sehr talentierten) Teenagern designt worden.Antrieb, so sagte Lagerfeld mal in einem Interview, waren seine Musen – Frauen so schön wie auch unterschiedlich.

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Ausgetobt hat er sich mit solchen besonderen Designs seit 1984 auch in seinem eigenen Modehaus. Dort erschien erst vor kurzem eine Kollektion, die er zusammen mit dem Model Kaia Gerber, der Tochter von Topmodel Cindy Crawford, entwarf. Aber auch für das schwedische Modehaus H&M entwarf er als erster Top-Designer eine Kollektion für die breite Masse. Kooperationen, so unterschiedlich wie nur möglich, waren sein Ding. Lagerfeld war es, der die Kooperationen von Fast-Fashion und hochkarätigen Designern ins Leben rief. Heute undenkbar. Er ist der einzige Designer, der auf einer der wichtigsten Modenschauen in Paris gleich zwei Haute-Couture-Kollektionen präsentierte.

Einzig auf Mode beschränkte er sich übrigens nicht. Da war Coca-Cola keine Ausnahme. Auch für Steiff entwarf er Teddybären, die natürlich so aussahen wie er und seine Katze Choupette. Und für den Klavierhersteller Steinway kreierte er sogar das Musikinstrument nach seiner Fasson. Lagerfeld war sogar mal Buchladenbesitzer in Paris. Scheint ungewöhnlich, ist es aber nicht. Denn Lagerfeld verspürte einen unstillbaren Wissenshunger, den er mit Büchern sättigte.

Lagerfelds berühmte Lästerattacken

Die jungen, talentierten Menschen liebten Karl und Karl entdeckte einige Talente. Claudia Schiffer ist eines davon und stand somit unter dem Lästerschutz des Modezaren. Denn für seine Lästerattacken war Lagerfeld ebenso gefürchtet, wie bekannt. Als Johannes B. Kerner ihn in einer Talkshow mal auf Heide Klum ansprach, polterte Lagerfeld: „Ich kenne sie nicht. Claudia (gemeint ist Schiffer) kennt die auch nicht. Die war nie in Paris, die kennen wir nicht. (...) Für mich war sie nicht top wie Claudia oder Nadja (Auermann) oder Tatjana (Patitz)." Die Bezeichnung von Heidi Klum als Durchschnittsfrau sorgte für Furore. Noch härter traf es damals aber ihren damaligen Ehemann Seal. Sein von Aknenarben gezeichnetes Gesicht bezeichnete der Modeschöpfer als Kraterlandschaft.

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In der französischen Zeitschrift „Le Point" äußerte er sich über Bundeskanzlerin Angela Merkel und sagte, er hasse sie für ihre Flüchtlingspolitik. Auch in der französischen Late-Night-Show „Salut les Terriens" regte er sich über Merkel auf. Weil sie die deutsche Geschichte vergessen habe, säßen „Nun 100 dieser Neonazis im Parlament." Sie habe seiner Meinung nach zu viele Muslime ins Land gelassen. Natürlich sparte er auch nicht an einer modischen Einschätzung: Merkels Hosen passen nicht und sie sollte lieber Farbe vermeiden. Die stehe ihr nicht.

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Auch der Musiker Pete Doherty, der wegen seiner Heroinsucht und Beziehung zu Model Kate Moss bekannt wurde, wurde von Lagerfeld wild beschimpft. „Seine Musik, sein Look – vorbei." Das sei in den 60er und 70er Jahren modern gewesen. Damals hätte auch er selbst soetwas getragen.

Karl und die Jogginghose

Wie eingenommen Lagerfeld auch von sich selbst war, wurde auch deutlich, als er zum Beispiel gegen den deutschen Designer Wolfgang Joop ausholte und bescheiden formulierte: „Sein Drama ist, dass er nicht ich ist." International sei Joop schließlich weder anerkannt noch bekannt. Alles, was die Mode des Deutschen ausmache, sei imitiert.

Doch so eingenommen, wie Lagerfeld von seiner Meinung war, so änderte er sie auch doch schon mal in der Vergangenheit. „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren", polterte Lagerfeld 2012 in der Talkshow von Markus Lanz. Doch das schien er einige Jahre später anders zu sehen, denn für sein Label Karl Lagerfeld kreierte er gleich mehrere Modelle der Freizeithose.

Der Tod einer Ikone

Lagerfeld lebte seit dem Tod seines Lebensgefährten Jacques de Bascher 1989 allein. Zuletzt teilte er sein Haus mit seiner Birma-Katze Choupette, die als Model arbeitete und Vorlage für viele seiner Kollektionen war. Mit Karl Lagerfeld stirbt einer der größten Modeschöpfer des vergangenen Jahrhunderts; Ein Mann, der mit seiner Meinung aneckte, aber stets zu dieser stand; Ein Genie mit einem unvergleichlichen Gespür für Trends; Ein hanseatischer Workaholic, der von allem, auch seinen eigenen Kreationen, schnell gelangweilt war.