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"Metro: Exodus" im Test: Ein herausragender Story-Shooter

Der dritte Teil der Serie führt Spieler erstmals an die Oberfläche des vom Atomkrieg verheerten Russland

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Mit Waffen, die wie gebastelt aussehen, erkunden wir die verheerte, aber keinesfalls tote Spielwelt. | © 4A Games/Koch Media

Mit Waffen, die wie gebastelt aussehen, erkunden wir die verheerte, aber keinesfalls tote Spielwelt. | © 4A Games/Koch Media

16.02.2019 | 16.02.2019, 10:50

"Werden wir überleben - und zurückkehren?" Diese Frage stellt der junge Artyom einem seiner Gefährten auf den Irrwegen durch die Moskauer Metro des Jahres 2033. Die knappe Antwort im Roman: "Nein." Die Antwort im neuen Videospiel "Metro: Exodus": Ja. Und es wurde höchste Zeit.

Der neue Story-Shooter des russischen Spiele-Entwicklers 4A Games nimmt Spieler nach "Metro 2033" und "Last Light" einmal mehr mit ins Russland der nahen Zukunft, wie es der Autor Dmitri Glukhovsky in seinen "Metro"-Romanen entworfen hat. Ein Atomkrieg mit den USA hat die Welt zerstört, einzig in der Moskauer Metro haben Menschen überlebt. Oder zumindest ist es das, was die Bewohner glauben. Was auch Artyom geglaubt hat. Auch wenn er einer der wenigen war, die zweifelten.

Inspiriert vom jüngsten Glukhovsky, "Metro 2035", erzählen 4A Games nun ihre eigene Geschichte davon, wie es wirklich war. Tatsächlich nämlich leben seit Jahren Menschen an der vorgeblich radioaktiv verseuchten Oberfläche - unversehrt. Alle Funkverbindungen nach, aber auch aus Moskau wurden gestört. Artyom und alle Metro-Bewohner wurden getäuscht.

"Welch wunderbare Welt wir zerstört haben..."

Moskau, wie wir es aus Metro kennen - und erstmals hinter uns lassen. Die Spielwelt haben die Entwickler einmal mehr sehenswert hinbekommen. - © 4A Games/Koch Media
Moskau, wie wir es aus Metro kennen - und erstmals hinter uns lassen. Die Spielwelt haben die Entwickler einmal mehr sehenswert hinbekommen. | © 4A Games/Koch Media

Mit dieser Wahrheit konfrontiert verlangt es Artyom nach Antworten. Und natürlich muss nun auch an der Oberfläche eine neue Heimat gefunden werden. Mit einem alten Zug reisen unsere Gefährten und wir fortan durchs verheerte Russland - und sehen erstmals was übrig ist von Artyoms Heimat. Der Exodus hat begonnen.

Und um es mit Artyoms Worten aus dem ersten Roman zu sagen: "Welch wunderbare Welt wir zerstört haben..." Tatsächlich gehört die Spielwelt von "Metro: Exodus" zu den schaurig-schönsten, die es derzeit gibt. Zwar waren auch die Vorgänger echte Augenweiden, die die Atmosphäre der klaustrophobischen Metro-Tunnel samt aller Gefahren, aber auch aller Gemeinschaft, die sich hier entwickelt hatte, herausragend einfingen. Doch nun ist klar: 4A Games können auch Open World.

Im Kern bleibt "Exodus" nämlich ein Erkundungsshooter. In mehreren ausladenden Levels erkunden wir Teile der Oberwelt: verschneite Sumpflandschaften an der Wolga, aber auch die an "Mad Max" erinnernde Einöde am kaspischen Meer und die dichten Wälder der Taiga.

Sinnvolle Weiterentwicklungen überall

Die mutierten Ratten (oder was auch immer das hier ist) sind noch die leichteren Gegner. Später steht uns noch Größeres vor der Flinte. - © 4A Games/Koch Media
Die mutierten Ratten (oder was auch immer das hier ist) sind noch die leichteren Gegner. Später steht uns noch Größeres vor der Flinte. | © 4A Games/Koch Media

Und trotz der weitläufigen Areale achtet das Spiel angenehm darauf, dass wir seine Hauptstory vor lauter Möglichkeiten nicht aus den Augen verlieren. Verlässlich führt es uns nach und nach in alle Teile jeder Karte, so dass uns kaum ein optionales Gebiet entgeht. Die Entwickler haben sich also etwas von der Linearität der Vorgänger bewahrt und die Welt trotzdem genug belebt, dass man froh ist, sie frei erkunden zu können. Besser hätten die Macher ihre Serie kaum weiterentwickeln können.

Es gibt so viel zu entdecken. Vor allem neue Waffen, Upgrades, und Rüstungsverbesserungen. Mit verschiedenen Materialien craften wir Munition, Granaten, Messer oder Medipacks unterwegs selbst. Unser Arsenal brauchen wir nötiger denn je. Denn die Gegner sind nicht nur zahlreicher, sondern auch artenreicher geworden. Und wer gegen eine mutierte Ratte die laute Schrotflinte auspackt, hat schnell den ganzen Schwarm am Hals. Leisetreten lohnt sich also.

Und auch wenn das Spiel nun offener angelegt ist, ist "Exodus" an den richtigen Stellen immer noch ein atmosphärisch dichtes, spannendes, in den besten Momenten beklemmend inszeniertes Erlebnis - nicht nur, wenn es mal zurück unter die Erde geht, in verlassene Bunker und Höhlen. Das Gefühl, die Herrschaft über die Schöpfung verloren zu haben, durchzieht das Spiel. Es gibt nur wenige Orte, an denen man wirklich sicher ist.

Mach. Den. Mund. Auf. Artyom!

Für die Gespräche mit und von unseren Reisegefährten sollten wir uns Zeit nehmen - es lohnt sich, zuzuhören. - © 4A Games/Koch Media
Für die Gespräche mit und von unseren Reisegefährten sollten wir uns Zeit nehmen - es lohnt sich, zuzuhören. | © 4A Games/Koch Media

Trotzdem will man sie alle sehen. "Metro" beherrschte schon zuvor das Environmental Storytelling, also Geschichten, die uns die Spielwelt erzählt. Das reicht von Notizen und Tonaufnahmen über verbrannte Leichen, die ein Familienfoto noch fest umklammert halten. Unser Favorit: Als wir eine Wellblechhütte betreten, die offenbar mal sowas wie ein Casino war, finden wir alle Besucher erschossen über den Pokertischen liegend vor. Hinterm Tresen versteckt sich noch immer der zitternde Barkeeper, der fürchtet, dass wir zu Ende bringen, was seine Gäste nicht geschafft haben. So erzählt man Geschichten ohne Worte.

Einziger echter Wehrmutstropfen: Unser Held selbst bleibt das ganze Spiel über stumm. Dabei schreien etliche Situationen nach seinen Reaktionen. Wenn uns Gefährten etwas fragen. Wenn uns Ehefrau Anja, den Kopf in unserem Schoß, ihr Leid klagt, und wir sie nur schweigend streicheln dürfen. In einer Mission sollen wir sogar jemanden überreden. Ähm, und wie? Dabei ist Artyoms Charakter vertont. Seine Stimme hören wir aber nur in den Ladesequenzen. Hier haben 4A Games unnötig Atmosphäre verschenkt.

Eine Brücke voller Kultisten, die unsere Weiterfahrt verhindern: Das sind Level, die wir spielen wollen. - © 4A Games/Koch Media
Eine Brücke voller Kultisten, die unsere Weiterfahrt verhindern: Das sind Level, die wir spielen wollen. | © 4A Games/Koch Media

Immerhin haben seine Handlungen Konsequenzen. "Metro: Exodus" hat mehrere Enden, je nachdem, ob wir auch mal jemandem helfen (einem Mädchen den Teddy aus dem Nest eines geflügelten Ungeheuers zurückbringen zum Beispiel) oder uns trumpistisch selbst der Nächste sind, ändert sich die Story. Wer Lust hat, kann also nach 25 bis 30 Stunden nochmal von vorn loslegen.

Fazit: Spiele-Entwickler mögen es nicht unbedingt, wenn man ihre Werke mit anderen vergleicht. Man will ja etwas eigenes schaffen. Aber wenn wir "Metro: Exodus" kurz beschreiben sollten, wäre die Antwort: Das Beste aus "Fallout" und "Stalker". Wo die Postapokalypse in "Fallout" überdreht war, ist Metro angemessen ernst, verliert aber nie den Sinn für Ironie. Wo "Stalker" oft unübersichtlich war, hat "Metro" Struktur und führt den Spieler besser durch seine Welt. Die einzelnen Areale sind der perfekte Mix aus Open World und Story.

Man kann also mit Fug und Recht behaupten: "Metro: Exodus" sucht unter Story-Shootern aktuell seinesgleichen. Die Geschichte überrascht bis zum Schluss, die Gefechte fühlen sich stets wuchtig an, das Schleichen nicht übermächtig, aber tierisch befriedigend. Ein besseres drittes "Metro" hätten wir uns kaum wünschen können.

"Metro Exodus" (ab 18 Jahren) kostet je nach Plattform zwischen 50 und 70 Euro.

Information


"Metro: Exodus" erscheint auf PS4, Xbox One und PC, dort allerdings zeitexklusiv im Epic Game Store. Spieler benötigen dort ein kostenloses Konto, auch die, die das Spiel auf DVD kaufen. Steam-Nutzer schauen noch ein Jahr, bis zum 14. Februar 2020, in die Röhre.